Die finalen Aspekte zur Bewertung möglicher schlafbezogenen Apps oder Spiele, welche sich nach den einzelnen Prozessphasen und einer abschließenden gemeinsamen Konsensfindung herauskristallisiert haben, werden in Tab. 1 dargestellt. Die Gruppe beschloss in Anlehnung an das Bewertungsschema für Kinderbücher (s. oben) die verschiedenen Kriterien mit grün (1) als zutreffend, orange (2) als teilweise zutreffend oder rot (3) als nicht zutreffend/nicht erfüllt eingeschätzt. Zusätzlich war die Option „?“ als unklar/nicht beantwortbar wählbar, und es wurde für jedes Kriterium die Möglichkeit einer Erläuterung/Begründung angeboten. Am Ende wird eine Empfehlung unter Hinzunahme sämtlicher bewerteter Aspekte abgegeben (zu empfehlen, bedingt zu empfehlen, nicht indiziert/möglicherweise schädlich).
Manche dieser in der Tabelle dargestellten Aspekte sind bislang noch wenig berücksichtigt worden in vorherigen Begutachtungsprozessen. Die von der Gruppe herausgearbeiteten Kriterien können zudem auch für unterschiedliche Altersgruppen angewandt werden.
Wie im obigen Schaubild dargestellt, wurden die Kriterien anhand einer App einer Testphase unterzogen. Die App „Schlaf-gut“ wird im Play-Store folgenermaßen beschrieben
„‚Schlaf gut!‘ ist eine schöne App für das tägliche Ins-Bett-Gehen-Ritual mit netten Tieren, süßen Schlafliedern und toller Erzählung. Im ganzen Haus gehen die Lichter aus und auch die Tiere auf dem Bauernhof sind müde. Aber wer bringt sie zu Bett? Wer löscht das Licht in ihren Ställen? Das ist die Aufgabe für kleine Kinder im Alter von 1–4. Zusehen, wie die Tiere schlafen gehen, ist ein schöner Weg, die Kinder auf die Schlafenszeit einzustimmen.“
„Schlaf gut“ ist von der Oscar-Kandidatin Heidi Wittlinger (2002, bester animierter Kurzfilm) designed worden.
Verfügbare Sprachen sind: Englisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Französisch, Russisch, Holländisch und Spanisch. Die App wird regelmäßig aktualisiert, die Preise liegen zwischen ca. 5 und 10 € je nach Betriebssystem und App-Komponente.
Die Ergebnisse der Pilotphasenerhebung anhand des Kriterienkatalogs mit der App „Schlaf-gut“ zeigten nachfolgende Einschätzungen des interdisziplinären Teams. Die Zusammenfassung der einzelnen Einschätzungen (also das Gruppenergebnis) sind wie folgt Kategorisiert: 1: gegeben/erfüllt, 1–2: eher gegeben/erfüllt, 2: teilweise gegeben/erfüllt, 2–3: eher nicht gegeben/erfüllt, 3: nicht gegeben/erfüllt.
Beschreibung des Ziels (Fokus auf der Zielbeschreibung, klare Ziele) mit den jeweiligen Unterkategorien wurden von der Gruppe überwiegend als eher gegeben (1–2) eingeordnet. Jedoch gab es einige kritische Anmerkungen: Es soll zwar um das Einschlafen gehen, jedoch kann im Spiel nur das Licht gelöscht werden. Durch das sukzessive Löschen der Lichter bleibt der Fokus auf dem Lichtausmachen, weniger auf dem Thema Schlaf bzw. Einschlafen, zudem können die Tiere vor dem Lichtlöschen beliebig oft animiert werden und zeigen keine Anzeichen von Müdigkeit (Gähnen findet erst nach dem Lichtlöschen statt). Die Motivation, im Spiel möglichst schnell den Lichtschalter zu finden, könnte fehlleitend sein und aktivierend wirken. Positiv anzumerken ist, dass sich durch die Wiederholung des Lichtlöschens in jeder Sequenz ein monotones Ritual ergibt.
Methodik (Korrektheit des Inhalts, angemessenes Feedback zum Fortschritt, angemessene Belohnung) mit den jeweiligen Unterkategorien wurde von der Gruppe überwiegend mit 1–2 als eher gegeben bewertet. Hinsichtlich der erkennbaren Effekte bezüglich Entspannung oder Müdigkeitssteigerung wurde diese jedoch überwiegend als nicht gegeben eingeschätzt.
Qualität (Überprüfung der Effektivität und nachhaltige Effekte, Auszeichnungen des Spiels und Einschätzungen) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Einschätzungen der Qualität ergaben, dass diese Kategorien von der Gruppe als überwiegend kritisch gesehen wurden (2–3). Im Spiel wird nicht überprüft, ob das Kind Entspannung oder Schlafen erreicht. Es wird durch die Dynamik des Spiels überprüft, ob das Kind (oder der Spielende/Elternteil) den Lichtschalter betätigen kann. Zu den Auszeichnungen lassen sich hinsichtlich der Gestaltung hohe künstlerische Expertise finden sowie die Auskunft, die App sei „von Pädagogen empfohlen“. Ein interdisziplinäres Team für die Entwicklung wird nicht angegeben.
Spielspaß (Sicherstellung von Spielengagement und -erfahrung, Sicherstellung des Flowerlebens, emotionale Verbindung herstellen, Sense of Control, Sicherstellung des Eintaucherlebens, Kontextualisierungsmöglichkeit der App/des Spiels) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Bewertung dieser Kategorie ergab teilweise erfüllte Resultate (2). Positiv wurde bewertet, dass nach Expertenrating eine emotionale Verbindung hergestellt werden kann (aufgrund der sehr schönen Gestaltung und der Freundlichkeit der Tiere). Kritisch wird hingegen bewertet, dass es nicht für verschiedene Spielertypen oder Altersgruppen unterschiedliche Versionen gibt. Zwar gibt es eine Sommer- und eine Winterversion, jedoch ist der Ablauf bei jedem dieser Spiele recht gleich. Hingegen ist wählbar, ob die Sprache genutzt oder ausgeschaltet wird. Zudem ist das Spiel in unterschiedlichen Sprachen verfügbar, somit ist eine Anpassung an die eigenen Bedürfnisse zumindest teilweise gegeben.
Medienpräsentation (attraktive Grafiken, angemessener Sound) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Medienpräsentation wurde von allen Mitgliedern der Expertengruppe als durchweg positiv und erfüllt beurteilt (1). Lediglich bei der Kategorie Sound wurde bisweilen angemerkt, dass die Musik am Ende, wenn das Kind dann im Fenster erscheint, lauter wird. Bezüglich der Ablenkbarkeit wurde ebenfalls nochmals darauf hingewiesen, dass die Tiere wiederholt aktiviert werden können, was ggf. ablenkend wirken kann.
Nachhaltigkeit (technischer Support, nachhaltige Effekte) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Bewertung dieser Kategorie ist nicht einfach, da teilweise auf externe Informationen zurückgegriffen werden muss. Insgesamt fiel die Bewertung dieser Kategorie positiver aus (1–2). So scheint die App regelmäßig gewartet zu werden und es gibt Updates. Die mehrmalige Anwendung im Rahmen eines Zu-Bett-Geh Rituals ist gut denkbar. Jedoch werden kaum oder nur unzureichend schlafförderliche Strategien erlernt. Bis auf das Löschen des Lichts werden keine weiteren Strategien im Spiel angewandt.
Niederschwelligkeit und Usability (Anforderungen an Speicherkapazitäten, Anforderungen an Datenvolumen, Anforderungen an Endgeräte, Bugs, einfache Sprache, auch für Nicht-Muttersprachler verständlich, geschlechts- und kultursensibel gestaltet) mit den jeweiligen Unterkategorien: Die Ergebnisse bezüglich dieser Kategorie fielen insgesamt ebenfalls positiv aus und wurde als gegeben bewertet (1). Das Spiel ist auf unterschiedlichen Endgeräten sowie offline nutzbar. Ob das Spiel auch auf älteren Geräten spielbar ist, konnte die Gruppe nicht beantworten. Lediglich einer der Beurteilenden ist eine fehlerhafte Darstellung zu Beginn des Spiels aufgefallen oder unterlaufen. Das Spiel ist in unterschiedlichen Sprachen verfügbar. Es wird eine leichte Sprache genutzt und die Inhalte werden vorgelesen, sodass keine Lesekompetenz erforderlich ist. Zudem werden viele Symbole oder bildhafte Darstellungen geboten. Der Sprecher ist jedoch immer männlich. Dies könnte gegebenenfalls erweitert werden.
Integration von Lerninhalt in das Spielgeschehen (Einbettung des Lernziels in das Spielgeschehen, Lernziele oder -einheiten können nicht übersprungen werden mit technischen Hilfsmitteln, wissenschaftliche Fundierung) mit den jeweiligen Unterkategorien wurde eher als nicht erfüllt bewertet (2–3). Zwar wird durch die Aufgabe, das Licht zu löschen, deutlich, dass es ums Schlafengehen geht, jedoch sind keine weiteren Strategien für das Zu-Bett-Gehen erkennbar und weitere Informationen zum gesunden Schlafen nicht erkennbar. Positiv ist, dass die einzelnen Einheiten zwar in beliebiger Reihenfolge angewandt werden können, diese am Ende jedoch immer bei dem Kind im Fenster enden. Informationen hinsichtlich wissenschaftlicher Fundierung und Wirksamkeitstestung werden leider nicht gegeben.
Interaktionstechnologie (angemessene Interaktionstechnologie, intuitive Spielführung und Bedienbarkeit) mit den jeweiligen Unterkategorien: Insgesamt fiel die Bewertung dieser Kategorie recht positiv aus und wird vom interdisziplinären Team als eher gegeben eingeschätzt (meist 1). Die Spielführung ist meist intuitiv möglich. Zwar gibt es keine Tutorials, jedoch sind die Spielmechanismen weitestgehend selbsterklärend, außer wenn man ohne Ton startet. Jedoch müssen auch weitere Mechanismen selbstgesteuert entdeckt werden.
Adverse Effekte (Verhindern von adversen Effekten, negative/nicht-intendierte Wirkungen) mit den jeweiligen Unterkategorien: Diese Kategorie wurde von der Gruppe uneinheitlich bewertet. Kritisch wurde gesehen, dass weitere Tiere gekauft werden können und müssen, wenn das Repertoire ausgeweitet werden soll. Hinsichtlich der Dynamik im Spiel wurde darüber hinaus kritisch angemerkt, dass gegebenenfalls vom Kind gelernt wird, erst dann schlafen zu gehen, wenn alle anderen bereits im Bett sind (wie im Spiel). Hingegen wurde die Dauer des Spiels eher positiv eingeschätzt, da es im Rahmen eines Zu-Bett-Geh-Rituals gut eingegliedert werden kann. Jedoch ist auch kritisch anzumerken, dass das Spiel beliebig oft hintereinander gespielt werden kann, ohne dass hier ein Limit angegeben wird. Die Transferleistungen sind fraglich.
Insgesamt hatte die Gruppe den Eindruck, dass die Kriterien meist gut verständlich waren, jedoch manche gegebenenfalls etwas mehr Definition benötigen. Diese wurden in der nachfolgenden Reflexionsphase hinzugefügt sowie auf Altersunabhängigkeit hinsichtlich der benannten Kategorien, Kriterien sowie Untergruppen geachtet und die Kriterientabelle entsprechend überarbeitet.
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