Das Orexinsystem als neuer Ansatz zur Besserung von Schlaf und Tagesaktivität – eine innovative Therapieoption zur Behandlung der chronischen Insomnie

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Daridorexant wurde in zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-3-Studien, an der 156 Studienzentren in 18 Ländern beteiligt waren, nachgewiesen [30]. Eingeschlossen wurden Erwachsene, die mindestens 18 Jahre alt waren und eine chronische Insomnie entsprechend der DSM-V-Kriterien aufwiesen, mit einem Schweregrad von moderat bis schwer (ISI ≥ 15). In einer Studie wurden die Patienten randomisiert (1:1:1) für die Einnahme von 50 oder 25 mg oder Placebo (Studie 1) und in der zweiten Studie für die Einnahme von 25 oder 10 mg oder Placebo (Studie 2). Die Medikation wurde jeden Abend für 3 Monate eingenommen. Primärer Endpunkt der Studie waren die Änderungen nach 3 Monaten zur Baseline-Polysomnographie-Nacht in der Wachzeit nach dem Einschlafen (wake after sleep onset; WASO) und der Einschlaflatenz (latency to persistent sleep; LPS). Sekundäre Endpunkte waren die subjektive Schlafzeit (total sleep time; TST) und der Fragenkomplex zur Tagesmüdigkeit des Fragebogens: Insomnia Daytime Symptoms and Impacts Questionnaire (IDSIQ) [31]. Die Effektivität von Daridorexant wurde anhand aller randomisierter Patienten ermittelt, die Sicherheitsdaten beruhen auf allen Patienten, die mindestens eine Dosis der Medikation eingenommen haben. Es wurden 930 Teilnehmer in der Studie 1 randomisiert. Je 310 von ihnen erhielten Daridorexant 50 mg, 25 mg oder Placebo, 924 wurden in der 2. Studie randomisiert. Von ihnen erhielten 309 25 mg, 307 10 mg und 308 Placebo. Die primären Endpunkte WASO und LPS waren mit 50 mg Daridorexant signifikant geringer als mit Placebo, sowohl nach 1 als auch nach 3 Monaten der Anwendung (Abb. 2). Nach 1 Monat ergab sich eine Differenz zur Baseline von −22,8 min [95 % CI −28,0 bis −17,6], p < 0,0001 für die WASO und −11,4 min [−16,0 bis −6,7], p < 0,0001 für die LPS. Nach 3 Monaten waren es −18,3 min [−23,9 bis −12,7], p < 0,0001 für die WASO und −11,7 min [−16,3 bis −7,0], p < 0,0001 für die LPS. Auch mit 25 mg zeigte sich ein positiver Effekt: Monat 1 −12,2 min [−17,4 bis −7,0], p < 0,0001 für WASO; −8,3 min [−13,0 bis −3,6] (p = 0,0005) für LPS und nach Monat 3 −11,9 min [−17,5 bis −6,2] (p < 0,0001) für die WASO und −7,6 min [−12,3 bis −2,9] (p = 0,0015) für die LPS. Die subjektive Schlafzeit war mit 50 mg auch verbessert im Vergleich zu Placebo: Monat 1 22,1 min [14,4 bis 29,7] (p < 0,0001) und Monat 3 19,8 min [10,6 bis 28,9] (p < 0,0001).

Abb. 2figure 2

Darstellung von Mittelwerten der primären und sekundären Endpunkte der Studie 301 mit insgesamt n = 930 Teilnehmern, davon jeweils n = 310 Teilnehmer mit Daridorexant 50 mg, 25 mg oder Placebo. Die Fehlerbalken geben den Standardfehler des Mittelwerts an (SEM). WASO wake after sleep onset; LPS latency to persistent sleep; TST total sleep time; IDSIQ (Insomnia Daytime Symptoms and Impacts Questionnaire) [30]

Die IDSIQ-Schläfrigkeitsfragen wiesen auch auf eine signifikante Besserung der Symptomatik hin. In der Gruppe mit 25 mg ergab sich auch ein positiver Effekt für die TST nach 1 und 3 Monaten, nicht aber für die IDSIQ-Schläfrigkeitsfragen. In Studie 2 zeigten sich in der Kohorte mit 25 mg Daridorexant ähnliche signifikante Ergebnisse wie in der Studie 1 nach 1 und 3 Monaten, ausgenommen die objektive LPS, die sich hier nicht änderte. Mit 10 mg zeigten sich weder objektiv noch subjektiv signifikante Änderungen von WASO, LPS, TST oder IDSIQ, nicht nach 1 und auch nicht nach 3 Monaten. Zusätzlich wurden visuelle Analogskalen zur Schlafqualität eingesetzt und der ISI vor und nach Therapie. Bei beiden Instrumentarien zeigten sich in einer nur explorativen Datenanalyse ebenfalls positive Effekte und zwar unabhängig von der Dosis und sowohl nach 1 als auch nach 3 Monaten. Mit 50 mg Daridorexant kam es zum Beispiel zu einer Reduktion des ISI von 19,3 ± 4 auf 14,3 ± 5,8 nach 1 und auf 11,9 ± 6,3 nach 3 Monaten.

Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen war vergleichbar in den Subgruppen: 116 [38 %] von 308 Teilnehmern in der 50-mg-Gruppe, 117 [38 %] von 310 in der 25-mg-Gruppe und 105 [34 %] von 309 in der Placebogruppe (Studie 1) bzw. 121 [39 %] von 308 in der 25-mg-Gruppe, 117 [38 %] von 306 in der 10 mg-Gruppe und 100 [33 %] von 306 in der Placebogruppe (Studie 2). Nasopharyngitis und Kopfschmerzen waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse in allen Gruppen. Fatigue, Schwindel und Nausea waren unter Daridorexant 50 mg höher als unter Placebo (jeweils 2 % vs. 1 %) ebenso wie Kopfschmerzen (6 % vs. 4 %) und eine unbeabsichtigte Überdosierung (3 % vs. 2 %).

Zum Abbruch der Studie führten derartige Ereignisse am häufigsten in der Placebogruppe. Ein Todesfall in der 25-mg-Gruppe hatten keinen Bezug zur Studienmedikation. Der Orexin-Antagonismus führte nicht zu exzessiver Tagesschläfrigkeit (< 1 % der Studienpopulation). Es gab nur isolierte Berichte über Halluzinationen oder eine Schlafparalyse und keine Berichte über komplexe Verhaltensweisen oder Kataplexien.

Es wurde auch untersucht, ob die Medikation zu nächtlichen Stürzen führt. Es zeigten sich numerisch mehr Stürze in der Placebo- als in den Verumgruppen: Studie 1 n = 1 [0,3 %], n = 1 [0,3 %], und n = 8 [2,6 %] in den Gruppen 50 mg, 25 mg, Placebo; Studie 2 n = 3 [1,0 %], n = 4 [1,3 %], and n = 3 [1,0 %] in den Gruppen 25 mg, 10 mg und Placebo.

Daridorexant führte zu keiner morgendlichen Müdigkeit/Schläfrigkeit, wie die entsprechenden visuellen Analogskalen zeigten.

Es gab kein Muster von unerwünschten Ereignissen, welches auf ein Potenzial für Drogenmissbrauch hindeutete, und keine Entzugssymptome während der Placebo-Run-out-Phase, was durch die unerwünschten Ereignisse und mit dem BWSQ-Fragebogen objektiviert wurde.

Zusammenfassend ist der Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant in der Dosis 25 und 50 mg objektiv und subjektiv effektiv in der Besserung des Ein- und Durchschlafens, was sich auch in einer Besserung der Tagesmüdigkeit zeigt. Diese Wirkung konnte in Studien über einen Zeitraum von bis 3 Monaten nachgewiesen werden. Diese neue Therapie war in den Studien sicher, nebenwirkungsarm, provozierte keinen morgendlichen Überhang und führte zu keinem Rebound nach Absetzen der Medikation. Wie sich die Medikation in der klinischen Praxis beweisen wird, insbesondere in Abhängigkeit der verschiedenen Phänotypen der chronischen Insomnie, wird sich auch in zukünftigen Studien zeigen müssen.

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