Update Kontaktallergie - diagnostische Lücke schließen!

Das allergische Kontaktekzem und seine Varianten gehören zu den häufigsten und wichtigsten Erkrankungen der Haut. Für die Gesundheitspolitik ist es aber offenbar kein unbedingt interessantes Krankheitsbild, schließlich stirbt man daran nicht. Es handelt sich ja „nur“ um gerötete Haut, die juckt und die verharmlosend immer wieder mit „Hauterscheinung“ umschrieben wird.

Das allergische Kontaktekzem ist eine akute beziehungsweise chronische Krankheit, die wegen ihrer verschiedenen Facetten zu häufig missinterpretiert und oft übersehen wird. Die Krankheit, eine allergische Spättypreaktion auf ein niedermolekulares Kontaktallergen/Hapten, begleitet den Patienten (w/m/d) ein Leben lang. Sie führt immer noch zu häufig zur Berufsaufgabe mit all ihren sich daraus ergebenden psychosozialen und vor allem auch ökonomischen Implikationen, für Betroffene wie für die Gesellschaft. Insofern hat die Kontaktallergie auch politische Bedeutung. Mit einer für Deutschland geschätzten Jahresprävalenz von 7 % und Lebenszeitprävalenz von 15 % muss sie als Volkskrankheit bezeichnet werden. Gut 20 % der Allgemeinbevölkerung sind gegenüber einem Kontaktallergen sensibilisiert.

Irritierend ist, dass sich seit Jahrzehnten in sämtlichen epidemiologischen Zusammenstellungen kontaktallergischer Reaktionen immer dieselben Kontaktallergene finden. Dies ist eine alarmierende Feststellung, auf die zum Beispiel die Deutsche Kontaktallergiegruppe in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft immer wieder hinweist und die leider zu oft nicht wahrgenommen wird. Nickel beispielsweise war in den deutschsprachigen Ländern über Jahrzehnte das führende Allergen und ist es im Frühjahr 2024 immer noch. Warum ist das so - trotz europäischer Nickelrichtlinie? Warum nehmen die verschiedenen Riechstoffe auf der Hitliste der Kontaktallergene über viele Jahre einen unrühmlichen zweiten Platz ein, trotz diverser Richtlinien zur Konzentration dieser Stoffe in Kosmetik und so weiter?

Warum haben die wissenschaftlichen Untersuchungen und ihre sehr aussagekräftigen Ergebnisse selten sichtbare Folgen? Die Geschichte der Isothiazolinone zeigt, dass es auch anders geht. Isothiazolinone sind Konservierungsmittel mit hohem kontaktallergischem Potenzial, die weit verbreitet waren und noch vor acht Jahren ein unrühmliches Problem darstellten. Heute aber scheinen sie in Europa eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, weil sie offenbar seltener verwendet werden. Anscheinend haben die entsprechenden Warnhinweise aus der Wissenschaft die Kosmetikindustrie zu einem Umdenken gezwungen - mit der Folge, dass weniger oder sogar gar keine problematischen Konservierungsmittel mehr verwendet werden.

Warum werden die zahlreich vorhandenen Daten zu vielen anderen Stoffen aber weiterhin so konsequent ignoriert? Das ist insofern schwer verständlich, weil die wissenschaftlichen Publikationen hierzu relativ einfache Botschaften haben, auch an die politischen Institutionen, an die öffentlichen Einrichtungen, wie das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Umweltbundesamt und die Industrie.

Konsequenzen sind allenfalls in Ansätzen erkennbar und werden nur höchst zurückhaltend gezogen. Es ist nicht zu verstehen, dass sehr unterschiedliche Institutionen an einem Strang ziehen, beispielsweise die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die ungerührt seit Jahren durch ihre Gebührenordnung geradezu verhindert, dass eine ausreichende, zielführende allergologische Diagnostik erfolgen kann.

Auch die europäischen und damit die nationalen Kontrollbehörden sind wenig hilfreich, wenn sie Kontaktallergene kurzerhand zu Arzneimitteln erklären und damit eine zeitnahe unkomplizierte Diagnostik verhindern. Denn durch verschiedene finanziell sehr fordernde Auflagen können neue, noch nicht bekannte Allergene unmöglich identifiziert werden. Die Gesundheitspolitik tut sich auf diesem Sektor schwer. Befremdlich ist, dass die Zusammenhänge nicht offen diskutiert werden. Dem Patienten (w/m/d) ist solches kaum bekannt.

Eine Kontaktallergie bedeutet für die erkrankte Person, dass sie das Allergen ein Leben lang meiden muss. Erneuter, auch unbewusster Kontakt mit der chemischen Substanz kann zu langwierigen Krankheitsschüben führen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf die vermeintlich so erfolgreiche Deklaration von Inhaltsstoffen verwiesen. Auf Verpackungen ist sie oft so diskret platziert und klein geschrieben, dass sie schwer zu finden und nur mit einer Lupe zu entziffern ist.

Die Kontaktallergie ist also ein klinisch sehr relevantes Krankheitsbild. Darum stellen wir Ihnen in diesem Heft eine Auswahl derzeit wissenschaftlich diskutierter Themen vor und hoffen, dass wir Ihr Interesse wecken können.

Im ersten Beitrag beschreiben Stefan Martin und seine Forschungsgruppe das weiterentwickelte Verständnis über die benötigten Entzündungsmechanismen der Kontaktallergie (Seite 16). So aktivieren Kontaktallergene das angeborene Immunsystem und zelluläre Stressantworten nicht nur in der initialen Sensibilisierungsphase, sondern auch in der Auslösephase des allergischen Kontaktekzems.

Seit seiner Erstvorstellung im Jahr 1895 durch Josef Jadassohn ist der Epikutantest der „Goldstandard“ für die Diagnostik der Kontaktallergie. Unverändert gilt, nur die Identifizierung des auslösenden Kontaktallergens und dessen künftige Vermeidung wird Rückfälle verhindern und langfristig zu einer vollständigen Remission führen können. Zu alldem sind fortwährend geschulte Kenntnisse über die möglichen Expositionsquellen der identifizierten Kontaktallergene unerlässlich, wie der Beitrag von Johannes Geier uns vor Augen führt (Seite 26). So ist beispielsweise eine Sensibilisierung gegen Bestandteile von Epoxidharzsystemen nicht nur im beruflichen, sondern in ausgefallenen Einzelfällen auch im privaten Umfeld möglich.

Um zeitgemäß auslösende Kontaktallergene identifizieren zu können, ist ein stets aktualisiertes Portfolio an gebräuchlichen Epikutantestsubstanzen erforderlich. In diesem Zusammenhang gibt Nicola Wagner einen beispielhaften Überblick über diverse neue Kontaktallergene in dem zusehends relevanter werdenden Bereich der Medizinprodukteversorgung (Seite 32). Die in diesem Zusammenhang fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Deklaration der Inhaltsstoffe stellt ein grundsätzliches Problem dar.

Vergleichbar verhält es sich bei der zunehmend häufiger gewünschten Klärung einer Tattoo-Unverträglichkeit. Dermatologisch interessant waren Tätowierungen schon immer [Riecke E. Das Tatauierungswesen im heutigen Europa, Verlag von Gustav Fischer, Jena, 1925 / Geier J, Fuchs Th, Ippen H. Tätowierungen: eine Übersicht mit Hinweisen auf ihre Nebenwirkungen. Derm Beruf Umwelt 1989; 37:4-12]. Anders als damals erfreuen sich Tattoos aber heute einer zunehmenden Beliebtheit in breiten Bevölkerungskreisen. Wie nicht anders zu erwarten, geht die permanente Hautdekoration auch mit einer Zunahme an Tattoo-Allergien einher. Steffen Schubert und seine Kooperationspartner geben zu dieser Thematik einen Überblick und stellen eine vom Bundesinstitut für Risikobewertung unterstützte Studie vor, in der es um die Identifizierung von neuen sensibilisierenden Substanzen in Tattoo-Farben geht (Seite 38).

Große Probleme bereitet die mangelhafte Versorgung mit Epikutantestsubstanzen in Deutschland aufgrund der rechtlichen Vorgaben im Arzneimittelgesetz. Sie ist in den letzten Jahren weiterhin deutlich schlechter geworden. Nach Angaben des bislang einzigen Herstellers von kommerziellen Epikutantestsubstanzen mit Marktzulassung in Deutschland sind aktuell nur noch 116 Epikutantestsubstanzen verfügbar (Stand: 8. Februar 2024; https://go.sn.pub/testsubstanzen). Ein Ende dieser Verknappung, die eine sinnvolle und qualifizierte Diagnostik der Kontaktallergie immer weiter infrage stellt, ist aktuell nicht absehbar. Im letzten Beitrag erörtert Vera Mahler aus regulatorischer Sicht diese schwierige, für die Praxis aber hochrelevante Problematik, dass viele Epikutantestsubstanzen nicht mehr produziert werden und damit nicht mehr zu erhalten sind (Seite 47). Sind Wege aus dem Dilemma denkbar?

Wir sind der Meinung, Lösungen im Sinne des Arzneimittelgesetzes müssen schnellstmöglich gefunden werden, um eine kontinuierliche Versorgung mit Epikutantestsubstanzen wiederherzustellen und so die eingetretene dramatische diagnostische Lücke wieder zu schließen.

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Prof. Dr. Thomas Fuchs, Abteilung für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Göttingen

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Prof. Dr. Heinrich Dickel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

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