Im Routinelabor fanden sich bis auf eine Vitamin-B12-Mangelanämie, die substituiert wurde, keine weiteren Auffälligkeiten. Der Clomipraminserumspiegel lag unter einer Tagesdosis von 75 mg mit 280 µg/l im unteren Normbereich (Norm: 230–450 µg/l). Der Lithiumserumspiegel betrug 0,43 mmol/l bei einer Tagesdosis von 450 mg, welches unter Berücksichtigung des höheren Lebensalters als suffiziente Augmentationstherapie eingestuft wurde. Ein EEG blieb ohne pathologischen Befund, insbesondere ohne Hinweis auf einen Herdbefund oder epilepsietypische Potenziale.
Als Ursache der mnestischen Defizite, welche von der Patientin als besonders beeinträchtigend und quälend wahrgenommen wurden, die jedoch testpsychologisch allenfalls in leichtgradiger Ausprägung objektivierbar waren, erwogen wir zunächst differenzialdiagnostisch eine depressionsbedingte Pseudodemenz wie auch Nebenwirkungen der potenziell inadäquaten Pharmakotherapie im Alter mit einem Trizyklikum [1]. Unter Fortführung der Lithiumaugmentation stellten wir daher die antidepressive Medikation von Clomipramin auf Venlafaxin um und dosierten dieses unter Spiegelkontrollen bis auf 112,5 mg/Tag (Summenspiegel 164,4 µg/l; Norm: 100–400 µg/l) auf. Hierunter remittierte das depressive Syndrom vollständig, was gegen das Vorliegen einer organischen affektiven Störung sprach, die kognitiven Defizite persistierten jedoch unverändert.
Zur weiteren Abklärung der leichten kognitiven Störung ergänzten wir daraufhin leitliniengemäß eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Neurokraniums. Hier zeigte sich eine kontrastmittelaffine, breitflächig der Dura bzw. dem Tentoriumrand aufsitzende 29 × 25 mm große Raumforderung, a. e. einem temporobasalen Meningeom entsprechend (Abb. 1). Aufgrund der lokal raumfordernden Wirkung des Tumors mit Kompression der temporomesialen Strukturen einschließlich des Hippokampus links, werteten wir diese Läsion als ursächlich für die mnestischen Defizite und überwiesen die Patientin an die Schädelbasissprechstunde der hiesigen Klinik für Neurochirurgie zur Klärung möglicher Interventionen. In einer Verlaufs-MRT nach 6 Monaten fand sich ein stabiler Befund ohne Größenprogress des Tumors, sodass sich die Patientin gegen eine von den Kollegen primär empfohlene operative Resektion des Meningeoms entschied.
Abb. 1Magnetresonanztomographie des Kopfes: a sagittale, b koronar reformatierte MP-RAGE-Sequenz nach Kontrastmittelgabe, c koronar reformatierte FLAIR-Sequenz. Großes links temporobasales Meningeom mit Verlagerung und Kompression des linken Hippokampus
Differenzialdiagnostisch war bereits initial eine neurodegenerative Ursache des amnestischen Syndroms erwogen worden, nicht zuletzt auch wegen der Vulnerabilität gegenüber Clomipramin, die ein vorbestehendes cholinerges Defizit als Frühzeichen einer möglichen Alzheimer-Erkrankung suggerierte. Die ergänzend durchgeführte MR-tomographische volumetrische Analyse ergab hierfür jedoch keinerlei Anhalt (Abb. 2). Gegenüber der darüber hinaus empfohlenen Liquordiagnostik zur Bestimmung demenzspezifischer Biomarker wie auch weiterführenden PET-Untersuchungen zeigte sich die Patientin ablehnend.
Abb. 2Eine T1-gewichtete MPRAGE-Sequenz einschließlich einer regionen- und voxelbasierten Analyse [9] zeigte kein spezifisches Atrophiemuster, was eine neurodegenerative Erkrankung, wie z. B. eine Alzheimer-Erkrankung, sehr unwahrscheinlich macht
Die depressive Symptomatik zeigte sich im Längsverlauf unter Fortführung der oben genannten Medikation über mehrere Jahre vollständig remittiert, die Patientin schilderte jedoch unverändert Gedächtnisstörungen. Nachdem mit dem Befund eines Meningeoms ein möglicherweise zugrunde liegendes Korrelat geklärt, wenngleich nicht behoben werden konnte, gelang es ihr allerdings, diese Defizite besser einzuordnen und dafür eine gewisse Akzeptanz aufzubringen.
留言 (0)