Zum 100. Geburtstag von Professor Dr. med. Heinz Penin

Am 29.11.2024 wäre Professor Dr. med. Heinz (Heinrich Josef) Penin 100 Jahre alt geworden. Geboren in Trier, wuchs er in Prüm in der Eifel auf und wurde dann in Bonn zu einem der führenden Epileptologen in Deutschland. Er verstarb im 96. Lebensjahr am 16.09.2020 in Bonn (Abb. 1).

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Heinz Penin im Alter von 94 Jahren (Foto von privat)

Nach der Gymnasialzeit in Oberhausen und Düren folgten 3 Jahre Kriegsdienst bei der Luftwaffe. Wie Heinz Penin berichtete, war er einer der wenigen seiner Schulklasse, die den Krieg überlebten. Der Gefangenschaft konnte Heinz Penin durch eine kühne Fahrt mit dem Motorrad entkommen. Dem Studium vorgeschaltet war ein obligatorisches „Trümmersemester“; die Reste des kriegszerstörten Poppelsdorfer Schlosses in Bonn waren aufzuräumen. Ab 1947 konnte Heinz Penin schließlich in Bonn Medizin studieren. Im Jahr 1953 legte er das medizinische Staatsexamen ab und promovierte zum Doktor der Medizin. Nach der Medizinalassistentenzeit in Bonn begann er 1954 mit der Facharztweiterbildung für Neurologie und Psychiatrie an der Universitäts-Nervenklinik Bonn, zunächst mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dann als Stipendiat des Kultusministers Nordrhein-Westfalen. Die Ausbildung in Bonn wurde unterbrochen durch ein halbes Jahr Assistenzarzttätigkeit am „Institut für Klinische Neurophysiologie“ in Freiburg bei Prof. Richard Jung, insbesondere, um die Elektroenzephalographie zu erlernen; diese blieb im Mittelpunkt des klinischen und wissenschaftlichen Interesses von Heinz Penin. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Möglichkeit der Ableitung der Potenzialschwankungen im Gehirn durch das Elektroenzephalogramm (EEG) beim Menschen von Hans Berger im Jahre 1924, also dem Geburtsjahr von Heinz Penin, entdeckt worden war [1, 2].

Im Jahr 1965 habilitierte Heinz Penin mit dem Thema „Über den diagnostischen Wert des Hirnstrombildes bei der hepato-portalen Enzephalopathie“. Im Jahr 1969 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor, 1 Jahr später zum Leiter der neu geschaffenen „Abteilung für klinische Neurophysiologie und experimentelle Neuropsychiatrie“. Schon 1962 hatte Heinz Penin eine Epilepsieambulanz an der Bonner Universitäts-Nervenklinik eingerichtet [3]. Nach dem Tod von Professor Dr. Hans-Jörg Weitbrecht im Jahr 1975 leitete Heinz Penin für mehrere Jahre kommissarisch und erfolgreich die Bonner Universitäts-Nervenklinik in der Zeit der „Kliniksräte“. Aus dieser Klinik wurden in den folgenden Jahren 3 unabhängige Abteilungen gegründet, nämlich eine psychiatrische (1978), eine neurologische (1981) Klinik und – als absolutes Novum und auf ausdrückliche Empfehlung des Wissenschaftsrates – eine Klinik für Epileptologie. Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn plante bereits 1970 die Verselbstständigung einer Abteilung „Klinische Neurophysiologie und Epileptologie“ [3]. Heinz Penin erhielt 1978 schließlich den Ruf auf den 1979 eingerichteten ersten Lehrstuhl für Epileptologie in Europa, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990 innehatte. Die Einrichtung dieses Lehrstuhls und Heinz Penin als erster Lehrstuhlinhaber haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Epileptologie und Elektroenzephalographie nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland Anschluss an die internationale Entwicklung gefunden haben.

Entsprechend seinen Leistungen auf diesen Gebieten war Heinz Penin 1968 bis 1969 Präsident der Deutschen EEG-Gesellschaft, von 1971 bis 1973 Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie und in leitender Funktion in verschiedenen Gremien zur Epilepsieforschung, insbesondere der DFG. Seine Tätigkeit fand auch Anerkennung in der Ernennung zum „Ambassador for Epilepsy“ (Internationale Liga gegen Epilepsie), der Verleihung der Walter-Poppelreuther-Medaille in Gold vom Bund Deutscher Hirnbeschädigter 1984, der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse 1990, der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) und der Verleihung der Otfrid-Foerster-Medaille der DGfE [4].

Mitarbeitende und langjährige wissenschaftliche Kooperationspartner gestalteten anlässlich des 60. Geburtstages von Heinz Penin im Jahr 1984 ein Symposium zu den Kernthemen seiner jahrzehntelangen Forschung mit dem Titel „Epilepsieforschung. Klinische und experimentelle Neurophysiologie“.

Die Forschungsaktivitäten von Heinz Penin im Bereich Epileptologie, Neurologie und Psychiatrie waren vielfältig. Bahnbrechend für die Diagnostik der Epilepsien war die Entwicklung der simultanen Doppelbildaufzeichnung (SDA) in den 1960er-Jahren, die die gleichzeitige Videoaufzeichnung von Anfallsgeschehen und der dabei ablaufenden Hirnpotenziale ermöglichte. Im Jahr 1965 wurde die Installation eines Netzwerkes für MAZ-Aufzeichnungen (magnetische Aufzeichnungen) auf neurologischen und psychiatrischen Stationen sowie in einem Bonner Klinik-Fernsehstudio konzipiert. Publikationen dazu erfolgten später in deutscher Sprache [5]. Mit dieser Pionierleistung war Heinz Penin der allgemeinen Entwicklung um ein Jahrzehnt voraus. Zusätzlich zur „Totalen“ des gesamten Körpers konnten gleichzeitig ausgewählte Körperabschnitte mit professioneller MAZ-Aufzeichnungsqualität synchron mit epileptisch generierten Hirnsignalen registriert werden. Die SDA wurde weiterhin zu einer verfeinerten Merkmalserfassung weiterentwickelt mithilfe von polygraphischen Registrierungen von Akzelerometern für Beschleunigungs- und Bewegungsmessungen, Elektromyographie, Elektrokardiographie, Atmungsbewegungen, elektrischem Hautwiderstand und Reaktionszeitmessungen sowie der computergestützten Dokumentation und Analyse manifester und subklinischer Anfallsphänomene. Die SDA ermöglicht sowohl eine schnelle und wiederholte Betrachtung des Anfallsereignisses zur Differenzialdiagnose, ein besseres Verständnis der Anfallsabläufe bzw. der „strukturellen Gestalt“ als auch eine verbesserte Klassifikation epileptischer Anfälle und trug entscheidend zur Entwicklung der modernen Epilepsiechirurgie bei [6].

Weitere Hauptarbeitsgebiete von Heinz Penin waren die Diagnostik der Epilepsien allgemein und die Pharmakotherapie der Epilepsien; frühzeitig wies er auf die Möglichkeit einer teratogenen Schädigung durch Anfallssuppressiva hin [7]. Die Grenzen der Pharmakotherapie ließen die präoperative Epilepsiediagnostik zu einem wichtigen Arbeitsgebiet von Heinz Penin und seiner Arbeitsgruppe werden. Zusammen mit einem Arbeitskreis [8] wurde die EEG-Befunddokumentation mit optischem Markierungsleser entwickelt. Die Dokumentationsbögen ermöglichten eine präzise Erfassung des EEG-Befundes, insbesondere für eine Verlaufsbeurteilung und für wissenschaftliche Fragestellungen, aber auch für die Ausbildung in der EEG-Befundung. Den EEG-Befund und -Verlauf untersuchte Heinz Penin sowohl bei symptomatischen „exogenen“ Psychosen als auch bei „endogenen“ Psychosen. Bei der Schizophrenie wurde mit Gerd Huber (Bonn) die Korrelation von EEG-Befund und Prozessaktivität herausgearbeitet und hier und bei symptomatischen Psychosen die Bedeutung einer abnormen Rhythmisierung im Delta-Bereich (intermittierend als „Parenrhythmie“ oder kontinuierlich als „Aidiorhythmie“) erkannt [9].

Intensiv befasste sich Heinz Penin auch mit sozialmedizinischen Aspekten bei Epilepsien und bei Hirnverletzten (Invalidität, Rehabilitation, Begutachtung allgemein).

Schon früh befasste sich Heinz Penin mit der Möglichkeit der elektronischen Patientenüberwachung; in der Presse wurde dies mit dem Schlagwort „Die 1000 Augen des Dr. Penin“ in Anspielung auf einen zeitgenössischen KriminalfilmFootnote 1 belegt. Während der Zeit als Heinz Penin noch für die gesamte Neurologische Klinik verantwortlich war, bildeten die Parkinson-Forschung und Verlaufsforschung neurologischer Krankheiten weitere Schwerpunkte.

Heinz Penin verstand es, die schwierige universitäre Aufgabe der Vereinbarung von Krankenversorgung, Forschung und Lehre gut zu bewältigen. WirFootnote 2 erlebten ihn bei Visiten als einen Arzt, der den Patienten zuhörte und sich einfühlen konnte und bei dem die Patienten die Fürsorge spürten. Wenn es einmal zu einem unvermeidlichen Konflikt mit Patienten oder Angehörigen kam, z. B. wegen einer langen Wartezeit, schlichtete Heinz Penin souverän. Er verstand es, den Patienten Mut zu machen, und er genoss großes Vertrauen bei seinen oft langjährigen Patienten. Die Vorlesungen von Heinz Penin, insbesondere die Vorlesungen „Elektroenzephalographie und Klinische Neurophysiologie“ und „Anfallserkrankungen und ihre Differentialdiagnose“ waren von großem didaktischem Geschick geprägt und wurden auch von Ärzten aus einem großen Umkreis besucht. Heinz Penin, Sohn eines Gymnasiallehrers, lehrte gerne und gut. Als Technikfreund setzte er die an der Klinik von ihm frühzeitig eingeführten Videoaufzeichnungen von professioneller Qualität auch in den studentischen Vorlesungen und ärztlichen Fortbildungen ein.

Wie sich schon bei der Umstrukturierung der Nervenklinik zu 3 unabhängigen Kliniken gezeigt hatte, besaß Heinz Penin ein großes Organisationstalent. Das wusste auch die Fakultät zu schätzen, als sie ihm 1984 die kommissarische Leitung des „Instituts für Medizinische Statistik“ übertrug.

Im Privatleben stand für Heinz Penin seine Familie mit 5 Kindern im Mittelpunkt; das Wohl der Familie war ihm auch bei seinen Mitarbeitenden wichtig.

Ein stetes Anliegen war Heinz Penin die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Er stellte fest, wenn die eigene Kreativität mit zunehmendem Alter abnehme, sei es die Aufgabe der Älteren, dem Nachwuchs gute Bedingungen zu eigenem Forschen zu verschaffen. Ganz in diesem Sinne sicherte er der Klinik mehrere DFG-Forschungsprojekte und vom Land Nordrhein-Westfalen oder vom Bund geförderte Projekte über frequenzanalytische Untersuchungen bei Psychosen, über die Pharmakokinetik der Anfallssuppressiva, über die simultane Videodokumentation von Epilepsiephänomenen und EEG mit biochemischen und pharmakologischen Korrelationen und über die Verhinderung der Generalisation von Anfällen durch Stimulation subkortikaler Strukturen. In diesem Zusammenhang wurde in Kooperation mit der Medizinischen Klinik ein Labor zur Bestimmung der Anfallssuppressiva („Antiepileptika-Labor“) in Körperflüssigkeiten eingerichtet, die EEG- und SDA-Labors wurden weiter ausgebaut, und schließlich wurde die prächirurgische Epilepsiediagnostik installiert. Mit Freude zeigte er seinen Oberärzten den Bereich, in welchem später das neue Gebäude der Klinik für Epileptologie gebaut werden sollte. Heinz Penins Förderungen waren nachhaltig. Seinem Nachfolger, Professor Christian Elger, hinterließ Heinz Penin eine Epileptologische Universitätsklinik, die mit Bundes- und Landeshilfe zum Zentrum ausgebaut worden war [10].

Zum Gedenken an seine Verdienste und seine herausragende Persönlichkeit wird seit 2024 der Heinz-Penin-Preis für Epilepsieforschung jährlich ausgelobt, mit dem jeweils die beste aus Bonn stammende Nachwuchswissenschaftsarbeit aus den beiden Bereichen experimentelle und klinische Epilepsieforschung ausgezeichnet wird. Zudem trägt seit 2020 zu seinen Ehren der große Seminarraum in der Klinik und Poliklinik für Epileptologie in Bonn seinen Namen.

Wenn wir des 100. Geburtstages von Heinz Penin gedenken, ist dies nicht nur ein Blick zurück, sondern auch ein dankbarer Blick auf die bestehenden und zukunftsweisenden Strukturen, die er geschaffen hat.

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