Fatigue und sensomotorische Instabilität

Aufbau

Im Post-COVID-19-Zentrum (PCZ) Lausitz (Senftenberg) wurde eine individualisierte, durch Beanspruchungsmessung eingeregelte Trainingstherapie zur Reduzierung von Fatigue und sensomotorischer Instabilität sowie eines sich oft im zeitlichen Post-COVID-19-Verlauf mit Fatigue ergebenden sekundären psychosomatischen Behandlungsbedarfs in Form einer Interventionsstudie umgesetzt (Abb. 2). Der Betrachtungszeitraum beläuft sich von Q1-2021 bis Q4-2023 in zwei Behandlungsphasen:

Behandlungsphase 1: Individualisierte beanspruchungsgesteuerte Trainingstherapie zur Verbesserung der quantifizierten sensomotorischen Parameter und der Post-COVID-19-Leitsymptome (Q2-2021 bis Q2-2023).

Behandlungsphase 2: Intensivierte kognitive Verhaltenstherapie zur Verbesserung von Fatigue und sekundären psychosomatischen Symptomen (Q2-2023 bis Q4-2023) sowie die Erfassung der subjektiven Wirksamkeit der Trainingstherapie mit einem standardisierten Leitfadeninterview in Q3-2023 bis Q4-2023.

Abb. 2figure 2

Methodik und Ablauf der Interventionsstudie

Stichprobe

Den Ausgangspunkt für die Bestimmung der Stichprobe der Teilnehmer der Interventionsstudie bildeten 407 geimpfte nukleokapsidpositive Patienten (Abb. 3), die im PCZ Senftenberg vorgestellt wurden. Die Ermittlung des Nukleokapsidproteins erfolgte im PCZ durch eine Blutentnahme und Laboruntersuchung oder im Vorfeld durch einen überweisenden Hausarzt/Facharzt/Krankenhaus im Zeitraum von Q1-2021 bis Q1-2023. In die Interventionsstudie (sensomotorische Trainingstherapie) einbezogen wurden aus der Grundgesamtheit von 407 Patienten unter Beachtung von Ein- und Ausschlusskriterien (Tab. 1) von Q2-2021 bis Q2-2023 im PCZ 78 (rd. 19 %) Post-COVID-19-Patienten mit dem Syndrom „Fatigue“ und „sensomotorische Instabilität“. Sie wurden leitliniengerecht standardisiert diagnostiziert und einer basalen symptomatischen medikamentösen Therapie unterzogen. Basierend auf der WHO-Klassifikation des Verlaufes einer SARS-CoV-2-Infektion konnten 88 % der Interventionsteilnehmer der viralen Phase-ambulant (WHO-CPS (WHO Clinical Progression Score): 1–3) und je 5,5 % der pulmonalen Phase-stationär (WHO-CPS: 4–5) sowie der hyperinflamatorischen Phase-ITS (WHO-CPS: 6–9) zugeordnet werden [8]. Die Patientenstruktur und die Vorerkrankungen sind in Abb. 4 sowie Tab. 2 dargestellt.

Abb. 3figure 3

Struktur der nukleokapsidpositiven Patienten

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien der InterventionsstudieAbb. 4figure 4

Struktur der Patienten mit Fatigue und sensomotorischer Instabilität

Tab. 2 Vorerkrankungen der Patienten mit sensomotorischer Instabilität

Alle Patienten waren volljährig und gaben eine schriftliche Einverständniserklärung vor Aufnahme in die Studie ab. Das umgesetzte Studiendesign sowie das eingesetzte computergesteuerte Trainingssystem wurden von der Ethikkommission der TU Dresden genehmigt (Referenznummern EK 378092016, EK 356092017).

Behandlungsphase 1: Individualisierte beanspruchungsgesteuerte Trainingstherapie

Die Trainingstherapie in Form einer Blended Therapy erfolgte in einem zum PCZ zugehörigen Trainingszentrum sowie in der Häuslichkeit, um eine ausreichende Trainingsdichte (mind. 2 Trainingseinheiten pro Woche) zu erreichen. Das Training in der Häuslichkeit wurde durch die Patienten dokumentiert und im Trainingszentrum ausgewertet. Zum Einsatz kam ein computergestütztes Trainingssystem. Patienten, bei denen in der Häuslichkeit kein computergesteuertes Trainingssystem eingesetzt wurde, führten die Übungen eigenständig mit Messung der Pulsfrequenz über eine Smartwatch sowie Dokumentation der Ergebnisse durch.

Für das vom PCZ eingesetzte computergesteuertes Trainingssystem war im Vorfeld im Zusammenwirken mit der Medizinischer Fakultät der TU Dresden und dem Institut für Medizinische Informatik der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus/Senftenberg (BTU) seit 2018 eine Trainingstherapie entwickelt worden, deren Belastungssteuerung auf eine in Echtzeit mögliche Beanspruchungsmessung des betroffenen Patienten begründet ist [15, 17]. Hierdurch wurde es möglich, bei immunologisch und/oder anderweitig beanspruchten energetisch verarmten Patienten mit Fatigue/immunometabolischer Depression [1] dosierte Trainingsreize zu setzen, die bis dahin als kontraindiziert galten. Ohne diesen Steuerungsmechanismus kommt es zu Crash/PEM und somit zu einer weiteren starken Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Patienten (z. B. bei Multipler Sklerose, in der Hämatoonkologie und aktuell im Rahmen der Immuntherapie von metastasierenden Tumoren).

Die Echtzeitkontrolle von Beanspruchungsparametern wurde so für das Einregeln der individuellen Trainingsbelastung eine conditio sine qua non, die auch bei hohen Behandlungszahlen z. B. unter Pandemiebedingungen realisierbar ist. Das Ausmaß und die Qualität einer Handlungskontrolle wurden in vorauslaufenden Arbeiten als ein in Echtzeit zu bestimmender kognitiver Parameter untersucht, eingeführt und als Routineparameter qualitativ überprüft.

Eine erfolgreiche Handlungskontrolle setzt eine effektive und effiziente Interaktion aller posturalen Systeme voraus, die sowohl aktiv als auch reaktiv mittels muskulärer Kräfte den Körper im Gleichgewicht halten. Sie basiert auf der Verarbeitung von sensorischen Wahrnehmungen (vestibulär, visuell, propriozeptiv etc.), die sowohl auf spinaler als auch supraspinaler Ebene (Kortex, insb. Subkortex und Zerebellum) lokalisiert sind und der mentalen Vorwegnahme zukünftiger Bewegungsabläufe (Antizipation). Auf Grundlage der Afferenzen wird im anschließenden motorischen Prozess unter Einbeziehung antizipatorischer und adaptiver Vorgänge eine posturale Reaktion in Form einer gezielten Ansteuerung der stabilisierenden Muskulatur generiert.

Der Systemaufbau sowie die eingesetzte Methodik der individualisierten belastungsgesteuerten Trainingstherapie basiert auf drei Prozessschritten (Abb. 5):

1.

initiale Bestimmung des Schweregrades der funktionellen Einschränkungen,

2.

technische Umsetzung der individualisierten Trainingstherapie,

3.

Belastungssteuerung durch Überwachung der individuellen Beanspruchung während der Trainingstherapie.

Abb. 5figure 5

Systemaufbau und Methodik der individualisierten belastungsgesteuerten Trainingstherapie

Behandlungsphase 2: Intensivierte kognitive Verhaltenstherapie

In Phase 2 wurden die Therapieteilnehmer mit „sekundären psychosomatischen Symptomen“ aus Phase 1 übernommen. Im Erleben des Post-COVID-19-Betroffenen kann sich im Zeitverlauf (auch im Therapieverlauf am PCZ) eine zunehmende Gedankendysfunktionalität aus einer im beruflichen und im häuslichen Alltag erlebten Belastungsinsuffizienz entwickeln [2, 14]. Mit der Intensivierung der kognitiven Verhaltenstherapie i. S. einer Erhöhung der Eigenaktivität der Patienten (auch in der Häuslichkeit), wurden im Zeitraum Q2-2023 bis Q4-2023 Veränderungen der sekundären psychosomatischen Syndromatik untersucht (kognitive Fatigability-Parameter). Des Weiteren fand im Zeitraum Q3-2023 bis Q4-2023 ein leitfadengestütztes qualitatives Interview mit allen Therapieteilnehmern statt.

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