Andere Länder, andere Sitten?

Das Label „Penicillinallergie“ ist in der Bevölkerung weit verbreitet und variiert je nach Land und Region mit einer Prävalenz von 5-10 %. Die Abklärung ist komplex und zeitaufwendig und wird oftmals nur in größeren allergologischen Zentren und Kliniken angeboten. Zahlreiche Allergologinnen und Allergologen haben während ihrer Ausbildung gelernt: „Zuerst der Hauttest (und ggf. die Serologie) und erst dann die Provokationstestung bei der Abklärung von Medikamentenallergien.“ Aber gilt diese eiserne Regel immer noch? Muss bei einer Penicillinallergie immer ein negativer Hauttest vorliegen, um in einem zweiten Schritt eine Provokationstestung durchführen zu dürfen (mit dem Verum oder einem anderem Betalaktam-Antibiotikum)?

In den letzten Jahren wurde diese Regel vor allem im angloamerikanischen Sprachraum zunehmend infrage gestellt. Dies basiert auf der Tatsache, dass bei den meisten Personen mit dem Label „Penicillinallergie“ gar keine Allergie vorliegt! Schon ein vager Verdacht, zum Beispiel eine anekdotische Angabe zu einem „Hautausschlag nach Penicillineinnahme in der Kindheit“, führt häufig zu dem Label „Penicillinallergie“. Zudem kann bei über 90 % derjenigen, die eine Penicillinallergie angeben, mittels Allergiediagnostik inklusive Provokationstestung eine solche widerlegt werden. Schlimmer noch, die meisten Personen mit vermuteter Penicillinallergie werden nie getestet und erhalten bei Bedarf ein alternatives Antibiotikum.

In den USA werden Patientinnen und Patienten mit vermeintlicher Penicillinallergie ohne Hauttest mit den Begriffen „Pen-Fast“ und „direct challenge“ „ge-delabelt“. Was bedeuten diese Begriffe eigentlich?

In einer viel diskutierten Publikation, die im September 2023 im JAMA Intern Med erschienen ist, wurden Patientinnen und Patienten mit dem Label „Penicillinallergie“ mittels dem Punktewert „Pen-Fast“ risikostratifiziert und anschließend mit oder ohne vorherigen Hauttest mit einem Betalaktam-Antibiotikum provoziert. Beide Arme waren im Ergebnis vergleichbar mit einem erfolgreichem „Delabeling“ von 97-99 %. Natürlich hat die Studie Schwächen im Design und in der Methodik, aber die Diskussion, ob die direkte Provokationstestung ohne vorherigen, negativen Hauttest zielführend und vor allem sicher ist, war eröffnet.

Aktuell debattieren allergologische Fachgesellschaften in Europa intensiv über die Erkenntnisse aus dieser Studie und darüber, was dies für die gelebte Praxis in den einzelnen Ländern bedeutet. Wird der Hauttest auf Penicillin-Antibiotika in Zukunft wegfallen? Warten wir gespannt auf die zahlreichen Positionspapiere und Leitlinien, die zu dieser Thematik aktuell im Entstehen sind und hoffentlich bald erscheinen werden.

Abseits der Diskussion über die Abklärung der Penicillinallergie enthält die aktuelle Allergo-Journal-Ausgabe wieder spannende Berichte aus unterschiedlichen Gebieten der Allergologie: So beschäftigt sich ein Beitrag von Gerber et al. mit dem Wachstumsverlauf und Ernährungsstatus von Kindern mit Nahrungsmittelallergien (Seite 28). Eine wichtige Studie, zumal Kinder mit Immunglobulin-E-vermittelten Nahrungsmittelallergien ein erhöhtes Risiko für Wachstumsstörungen haben. Ein weiterer lesenswerter Beitrag setzt sich mit der Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln, in diesem Fall Wurzelextrakt aus Astragalus membranaceus, auf die Pollenallergie auseinander (Seite 39). Schließlich rundet Teil 3 aus der Serie „Neue Nomenklatur allergischer Erkrankungen nach EAACI-Standard“ die aktuelle Ausgabe ab (Seite 16). Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen der aktuellen Ausgabe des Allergo Journal!

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Prof. Dr. Dr. Wolfram Hötzenecker, Klinik für Dermatologie und Venerologie, Kepler Universität, Linz

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Prof. Dr. Ludger Klimek, Zentrum für Rhinologie und Allergologie Wiesbaden

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Prof. Dr. Thilo Jakob, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Gießen, UKGM

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