Die Klassifikation maligner Lymphome – Fortschritte und Kontroversen

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Parallel zu einem der beiden Hauptthemen der 106. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, der Hämatopathologie, widmet sich das Schwerpunktthema dieser Ausgabe der Pathologie den beiden neuen Klassifikationen maligner Lymphome, der „International Consensus Classification of mature lymphoid neoplasms“ (ICC 2022) [3] und der Kurzfassung des Lymphomteils der aktuell im Entstehen begriffenen 5. Edition der WHO-Klassifikation maligner Tumoren des hämatopoetischen und lymphatischen Systems [1].

Klassifikationen maligner Tumoren dienen verschiedenen Zwecken. Einerseits stellen sie ein international anerkanntes Koordinatensystem für die pathologische Diagnostik dar, in dem maligne Tumoren anhand etablierter Erkenntnisse über Klinik, Biologie, Morphologie, Immunphänotyp und Genetik eingeordnet werden. Durch klare Definitionen von Entitäten und Festlegung reproduzierbarer Diagnosekriterien und -standards soll eine internationale Vergleichbarkeit von Diagnosen als Basis therapeutischer Entscheidungen gewährleistet werden. Klinische und epidemiologische Studien sind ohne einheitliche Diagnostik mit weltweiter Gültigkeit nicht denkbar.

Der rasante Zuwachs, insbesondere genetischer Informationen, erfordert eine Weiterentwicklung von Klassifikationen, die aber behutsam erfolgen muss. Änderungen müssen evidenzbasiert sein und zumindest potenzielle klinische Relevanz besitzen. Unzureichend begründete Namensänderungen und detailverliebtes Entitätensplitting rufen bei unseren klinischen Kollegen keine Begeisterung hervor. Darum ist die Weiterentwicklung von Klassifikationen eine zunehmend interdisziplinäre Aufgabe.

Was gibt es also Neues in der Klassifikation maligner Lymphome? Eine schlechte und eine gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht: Es gibt nicht nur eine, sondern ZWEI neue Klassifikationen. Die ICC 2022 beruht wie die vorangegangenen 3 WHO-Klassifikationen auf den Beratungen eines Clinical Advisory Committee (CAC), in dem Kliniker und Pathologen unter Führung der einschlägigen Fachgesellschaften gemeinsam notwendige Änderungen diskutiert haben, um eine sowohl von Klinikern als auch von Pathologen anerkannte Klassifikation zu schaffen. Da die WHO sich von diesem Konzept abwandte, entschlossen sich viele internationale Fachexperten, trotzdem dem bewährten Prozess des CAC zu folgen, als dessen Resultat die ICC 2022 in 2 Teilen für lymphatische und myeloische Neoplasien vorgelegt wurde [2, 3]. Unter der Führung der WHO wurden ebenfalls 2 Publikationen veröffentlicht, die die neue WHO-Klassifikation mit den wichtigsten Änderungen zusammenfassen [1, 5].

Die gute Nachricht: Die Unterschiede zwischen den beiden Klassifikationen für Lymphome wie auch zur revidierten 4. Auflage der WHO-Klassifikation von 2016 sind relativ gering und betreffen vorwiegend seltene Entitäten, auch wenn für detaillierte Aussagen auf die definitive 5. Ausgabe der WHO-Klassifikation gewartet werden muss.

Die 4 Übersichtsartikel dieser Ausgabe der Pathologie fassen die Neuerungen in den 4 großen reifzelligen Lymphomgruppen – indolente B‑Zell-Lymphome, aggressive B‑Zell-Lymphome, periphere T‑Zell-Lymphome und Hodgkin-Lymphome – zusammen, wobei die Änderungen zur revidierten 4. Edition der WHO-Klassifikation hervorgehoben und die Unterschiede der beiden neuen Klassifikationen gegenübergestellt werden. Die Autoren der 4 Artikel wurden aus aktiv Beteiligten sowohl der ICC 2022 als auch der 5. WHO-Klassifikation rekrutiert, um eine ausgewogene Darstellung zu erreichen.

Wer sich zusätzlich zu den 4 Übersichtsarbeiten in diesem Heft informieren möchte, kann den „Annual Review Issue“ 2023 von Virchows Archiv mit einer Serie von 19 Übersichtsartikeln zur ICC 2022, die Online-Beta-Version der 5. WHO-Klassifikation und eine rezente, detaillierte Gegenüberstellung zu reifen B‑Zell-Neoplasien in Leukemia [4] konsultieren.

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