Schlaf und Wettkämpfe bei jungen AthletInnen

Die Befragung zeigte ähnliche Ergebnisse wie die Studie von Erlacher et al. [9], über zwei Drittel der jugendlichen AthletInnen berichteten über einen schlechteren Schlaf vor wichtigen Wettkämpfen oder Spielen. Belastende Träume vor Wettkämpfen scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. 40 % der SportlerInnen gaben an, dass aus ihrer subjektiven Sichtweise der schlechte Schlaf vor dem Wettkampf/Spiel ihre Leistung beeinträchtigt hat. Auch wenn dies möglicherweise eine „falsche“ Ursachenzuschreibung sein könnte, zeigen diese Ergebnisse, wie wichtig der Schlaf gerade vor Wettkämpfen/Spielen für die SportlerInnen ist.

Aus methodischer Sicht ist vor allem hervorzuheben, dass die Responserate mit 27,1 % (46/170) relativ niedrig lag. Immerhin hatten 83 Personen die Teilnahme zugesagt (48,8 %). Da jedoch die Online-Umfrage nicht vor Ort gemacht werden konnte (was mit einer Papierversion möglich gewesen wäre), gab es weitere Ausfälle. Dennoch ist zu vermuten, dass es keinen massiven Bias im dem Sinne gab, dass nur Personen mit Schlafproblemen teilnahmen. In einer vergleichbaren Population von AthletInnen, die ein Sportgymnasium in der Schweiz besuchen, gaben 4–11 % klinisch relevante Schlafproblem im Sinne einer Insomnie an [11]. Da hier ein „weicheres“ Kriterium, nur die subjektive Schlafqualität ohne die Beeinträchtigung des Tagesbefindens, gemessen wurde, scheint der Anteil (13 %) mit suboptimaler Schlafqualität vergleichbar zu sein. Auch in populationsbasierten Studien geben zwischen 9,4 % und 18,5 % der Jugendlichen Schlafprobleme an [6], sodass in der vorliegenden Stichprobe nicht von einer erhöhten Insomnie-Inzidenz ausgegangen werden kann. Auch der vergleichbare Anteil an Personen, die vor wichtigen Wettkämpfen/Spielen schlecht schlafen [9], spricht für die Validität der vorliegenden Untersuchung.

Auch wenn der Anteil der Personen mit schlechter Schlafqualität vergleichbar mit Jugendlichen im Allgemeinen ist [6], zeigt sich eine deutlich kürzere Schlafdauer von etwas unter 8 h, die bei unselektierten Jugendlichen mit 8,8 ± 0,8 h angegeben wird [17]. Dies ist in dem Zusammenhang, dass eine längere Schlafdauer und „sleep extension“ (experimentell verlängerte Schlafzeiten) mit erhöhten Leistungen einhergehen, als kritisch zu sehen [16].

Selbst bei den jugendlichen AthletInnen (Durchschnittsalter in der Stichprobe 16 Jahre) zeigte sich, dass über zwei Drittel mit schlechterem Schlaf vor wichtigen Wettkämpfen/Spielen zu tun haben. Es sind vorwiegend Einschlafstörungen, die mit den Angaben, dass Gedanken und Nervosität eine große Rolle spielen, in Einklang stehen. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob beispielsweise metakognitive Ansätze, also die Fähigkeit, mit Gedanken umzugehen, sich hier günstig auswirken könnten (vgl. [23]). Dies scheint vor allem für AthletInnen relevant, die auch unabhängig von Wettkämpfen/Spielen eine schlechtere Schlafqualität aufweisen. Wie eingangs vermutet, war der Anteil der SportlerInnen, die angaben, dass schlechter Schlaf die Leistung beeinträchtigt, in dieser Stichprobe höher als in einer Stichprobe aus SportlerInnen mit ganz unterschiedlichen Leistungsniveaus [9]. Auch wenn die experimentellen Befunde zu Schlafrestriktion und Schlafdeprivation [4, 5, 8] für eine Beeinträchtigung der Leistung durch schlechten Schaf sprechen, könnte die subjektive Zuschreibung der schlechten Leistung auf den Schlaf, die auch bei InsomniepatientInnen zu finden ist [20], eine Fehlattribuierung sein. Dies ist nicht so einfach zu untersuchen, da selbst groß angelegte Übungswettkämpfe, in denen beispielsweise Manipulationen der Schlafdauer möglich wären, eine andere Qualität (Anspannung, Nervosität) als ein richtiger Wettkampf oder ein entscheidendes Spiel, z. B. Olympische Spiele, Landes‑, Europa- und Weltmeisterschafen, aufweisen. Auf der anderen Seite gab nur ein Drittel der Befragten an, dass schlechter Schlaf vor dem Wettkampf/dem Spiel keine negative Auswirkung auf sie hatte.

Belastende Träume vor Wettkämpfen spielten in der vorliegenden Untersuchung eine eher untergeordnete Rolle (ca. 20 % der Teilnehmenden gaben solche Träume vor wichtigen Wettkämpfen/Spielen an) – vergleichbar mit der Studie von Erlacher et al. [10], in der 15 % der 840 SportlerInnen angaben, schon Angstträume vor Wettkämpfen/Spielen gehabt zu haben. Allerdings war die allgemeine Alptraumhäufigkeit ein wichtiger Prädiktor für Angstträume vor Wettkämpfen/Spielen – ebenfalls in Erlacher et al. [10] berichtet. Obwohl die Alptraumhäufigkeit der vorliegenden Stichprobe vergleichbar mit repräsentativen Studien [22] war, könnte man überlegen, ob Interventionen zur Senkung von Alpträumen, die einfach anzuwenden sind – wie die „Imagery Rehearsal Therapy“ (z. B. [19]) – betroffenen AthletInnen helfen können, weniger wettkampfbezogene Angstträume zu erleben.

In ihrem Review geben Charest und Grandner [4] an, dass das Internationale Olympische Komitee 2021 erstmalig den Schlaf als wichtigen Faktor in Zusammenhang mit der sportlichen Leistungsfähigkeit aufgeführt hat. Eine Gruppe international führender SportwissenschaftlerInnen hat in einem Konsensuspapier [29] vier Vorschläge gemacht, um das Thema Schlaf und Sport anzugehen: (1) Schlafedukation für AthletInnen (Schlafhygiene, Umgang mit Gedanken beim Einschlafen etc.), (2) Screeningfragebogen einsetzen, um mögliche Schlafstörungen zu erfragen und behandeln zu können (hier sind der „Athlete Sleep Screening Questionnaire (ASSQ)“ [21] und der „Athlete Sleep Behavior Questionnaire (ASBQ)“ [7] als Werkzeuge zu nennen), (3) Einführen von Nickerchen am Tage, z. B. im Rahmen von Zeitzonenreisen und/oder Wettkämpfen/Spielen, die spät abends stattfinden, und (4) Trainingspläne bzw. Wettkampfvorbereitungen, die ausreichend Schlaf bzw. auch bewusst längere Schlafzeiten enthalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch diese Studie trotz kleiner Stichprobengröße die Wichtigkeit des Schlafs für den Sport deutlich aufzeigt. Viele Fragen sind allerdings noch offen, vor allem der möglicherweise negative Effekt von schlechtem Schlaf auf die sportlichen Leistungen, gerade im Leistungssport ein extrem relevanter Faktor. Auch die Frage, wie der Schlaf bei AthletInnen insbesondere vor Wettkämpfen verbessert werden kann, bedarf weiterer empirischer Studien. Auch für die Schlafmedizin insgesamt ist das Thema Schlaf und Sport von Relevanz, da SportlerInnen häufig Rollenmodelle für viele junge Menschen sind (vgl. Umgang mit Corona-Schutzimpfungen). Das heißt, wenn SportlerInnen in Medienkontakten auf die Wichtigkeit von Schlaf in ihrem Training und den Wettkampfvorbereitungen hinweisen, kann das gesamtgesellschaftlich eine positive Auswirkung auf das Ansehen des Schlafs haben.

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