Konsensus-Statement der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin (ÖGSM/ASRA) zum Management der residualen exzessiven Tagesschläfrigkeit (rETS) bei obstruktiver Schlafapnoe

Die Differentialdiagnose der rETS stellt im klinischen Alltag eine besondere Herausforderung dar.

Nach dem obligaten Nachweis einer suffizienten Therapie der OSA mittels respiratorischer Standarduntersuchungsverfahren (s. Definition rETS) ist eine systematische differentialdiagnostische Exploration notwendig. Diese sollte die wesentlichen Daten zum Schlafverhalten und mögliche internistische, psychiatrische und neurologische Erkrankungen, die eine Tagesschläfrigkeit erklären könnten, beinhalten. Hierbei sind grundsätzlich auch die verschiedensten fachspezifischen Leitlinien zu berücksichtigen.

Um die Exploration nach einem möglichst standardisierten Schema durchzuführen, wurde die SPAIN-Checkliste entwickelt, die folgende Parameter beinhaltet (s. Tab. 1):

Schlafverhalten

Zur Exploration des Schlafverhaltens ist die Ermittlung der Bettliegezeit und der tatsächlichen Schlafzeit erforderlich. Die Schlafeffizienz kann durch die anamnestische Ermittlung der Bettzeiten unter Anwendung der in Tab. 1 genannten Schlüsselfragen systematisch erfragt werden. Ihre Beantwortung kann richtungsweisend für die Diagnose z. B. eines Schlafmangels, eines insuffizienten Schlafsyndroms, einer Schlaf-Wach-Rhythmusstörung oder einer Insomnie sein.

Bei unregelmäßigen Bettliegezeiten oder einer anhaltend verkürzten Schlafdauer sollte zur genaueren Erhebung ein Schlaftagebuch und (optional) eine Aktigraphie (Aufzeichnung der Ruhe- und Aktivitätszeiten mittels Akzelerometer, für mindestens 7 oder besser 14 Tage, mit Wochentagen und Wochenendtagen) durchgeführt werden [14, 41].

Behaviorally induced insufficient sleep syndrome (BIISS)

Zu den häufigsten Ursachen einer erhöhten Tagesschläfrigkeit zählt das insuffiziente Schlafsyndrom (Schlafmangelsyndrom) (engl. behaviorally induced insufficient sleep syndrome, BIISS), dessen Prävalenz bei tagesschläfrigen Patienten bei etwa 7–10 % liegt [18, 27]. Hierbei handelt es sich um eine chronische, meist über Wochen oder Monate praktizierte reduzierte Schlafdauer von < 7 h pro Nacht (besonders an Wochentagen). Da die verkürzte Schlafdauer den Patienten meist zur Gewohnheit wird, wird sie häufig nicht als mögliche Ursache einer Tagesschläfrigkeit in Betracht gezogen. Die aktive Exploration ist darum für die Diagnosestellung entscheidend. Wenn nötig, sollten auch hier Schlaftagebücher und/oder eine Aktigraphie (s. oben) eingesetzt werden.

Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen

Eine andauernde oder wiederkehrende Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus entsteht durch eine Inkongruenz zwischen endogenem zirkadianen Rhythmus (innere Uhr) und dem Schlaf-Wach-Plan, der durch die individuelle physische Umgebung oder soziale und berufliche Umstände gefordert wird.

Neben der bekanntesten Kurzform, dem Jetlag, zählt zu dieser Gruppe unter anderem das Schichtarbeitersyndrom [41], das ein Risiko für eine exzessiv gesteigerte Tagesschläfrigkeit bei gleichzeitig bestehenden insomnischen Beschwerden darstellt.

Depressionsscreening

Etwa 14 % der an einer Depression erkrankten Personen beklagen rein hypersomnische Symptome (ohne Insomnie) [12], die sich als exzessiv gesteigerte Tagesschläfrigkeit bemerkbar machen können. Ferner ist bekannt, dass etwa 35 % aller OSA-Patienten auch an einer klinisch signifikanten Depression leiden [9]. Es überrascht darum nicht, dass klinische Studien den Verdacht bestätigen konnten, dass Patienten mit pathologisch gesteigerter Tagesschläfrigkeit auch überdurchschnittlich häufig hohe Depressionsscores aufweisen [19, 42].

Für das Screening einer Depression eignet sich besonders der Patient Health Questionnaire PHQ‑2, der u. a. auch in der Leitlinie „Müdigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) empfohlen wird. Er besteht aus 2 Fragen, die in Tab. 1 als Schlüsselfragen wiedergegeben sind. Wenn beide Fragen des PHQ‑2 verneint werden, kann eine depressive Episode (DSM: major depression) mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden (Sensitivität: 87 %) [22, 43]. Zur näheren Differenzierung des Schweregrades einer depressiven Episode bietet sich etwa der als Screeninginstrument im nicht-psychiatrischen Fachbereich entwickelte PHQ‑9 (9-Item-Depressionsmodul PHQ‑D des Patient Health Questionnaire PHQ) an [20, 32].

Fatigue bei Autoimmun- und Infektionskrankheiten

Eine ausgeprägte und lähmende Müdigkeit oder Erschöpfung (Fatigue) ist die häufigste Beschwerde, die Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie etwa systemischem Lupus erythematodes, Typ-1-Diabetes, Zöliakie, chronischer Hepatitis, myalgischer Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome oder rheumatoider Arthritis beklagen [47].

In der COVID-19-Pandemie wurde die Fatigue-Symptomatik zum Massenphänomen: Müdigkeit und Erschöpfung sind nicht nur typische Symptome dieser Infektionserkrankung, sondern verbleiben auch häufig als Teil der Residualsymptomatik (Post-COVID-Syndrom). Einer rezenten Metaanalyse zufolge, leidet etwa ein Drittel der Patienten, die eine COVID-Infektion überstanden haben, an Fatigue-Symptomen [4].

Ausmaß und Tragweite dieses Leidens sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar [44].

Zentrale Störungen mit Hypersomnolenz

Schlüsselsymptom der Hypersomnolenzerkrankungen ist die exzessiv gesteigerte Tagesschläfrigkeit, die in der differentialdiagnostischen Abklärung bei Persistenz von Tagesschläfrigkeit bei gut behandeltem OSA erwogen werden muss. Zu diesen Erkrankungen gehören die Narkolepsie Typ 1 und Typ 2 und die idiopathische Hypersomnie.

Bei der Narkolepsie treten neben der exzessiven Tagesschläfrigkeit häufig weitere REM-Schlaf-assoziierte Symptome wie Kataplexien, Schlafparalysen, automatisches Handeln und hypnagoge und/oder hypnopompe Halluzinationen auf. Von besonders hohem diagnostischen Wert ist die Exploration des Vorliegens von Kataplexien (pathognomonisch für Narkolepsie Typ 1), bei welchen es zu einem affektgetriggerten (meist in positiven emotionalen Situationen) Verlust der Muskelspannung, meist beginnend in der Nackenmuskulatur oder dem Gefühl eines Tonusverlustes in den Beinen bei vollständig erhaltenem Bewusstsein kommt. Hierzu können die beiden Schlüsselfragen in Tab. 1 dienen.

Bei Anamnese einer exzessiv gesteigerten Tagesschläfrigkeit sollte bei Vorliegen von weiteren narkolepsietypischen Symptomen eine weiterführende neurologische und schlafmedizinische Untersuchung mittels MSLT zur Beurteilung der Einschlaflatenz und des frühen Auftretens von REM-Schlaf durchgeführt werden. Ergänzend können zudem eine HLA-Typisierung (HLA DQB1*0602) und eine Hypocretinbestimmung aus dem Liquor zur Diagnosesicherung einer Narkolepsie Typ 1 erfolgen [17]. Zudem sollte bei allen Formen der zentralen Störungen mit Hypersomnolenz eine Aktigraphie erfolgen.

Restless-Legs-Syndrom (RLS)

Das RLS ist bei bis zu 80 % der Betroffenen mit periodischen Beinbewegungen assoziiert. Diese führen nicht immer zu einer Nachtschlaffragmentierung und sind somit nicht grundsätzlich für eine gesteigerte Tagesschläfrigkeit verantwortlich, allerdings kann durch ein RLS eine Insomnie verursacht oder aufrechterhalten werden, welche eine Tagesschläfrigkeit hervorrufen oder verstärken kann [15].

Ein Zusammenhang einer Tagesschläfrigkeit mit isolierten, periodischen Beinbewegungen während des Schlafes (engl. periodic leg movements [PLM]) ohne das Vorliegen eines RLS ist gegenwärtig Gegenstand kritischer Diskussion [7, 13].

留言 (0)

沒有登入
gif