Obstruktive Schlafapnoe und arterielle Hypertonie

EpidemiologieArterielle Hypertonie und obstruktive Schlafapnoe

Die Schnittmenge zwischen Menschen mit aHT und SBAS ist groß: 30–40 % der Patienten, bei denen eine aHT diagnostiziert wurde, leiden an einer OSA [13, 14]. Patienten mit einer therapieresistenten aHT haben zu 70–83 % SBAS [15, 16]. Gleichzeitig haben Ergebnisse von Querschnittsuntersuchungen eine Prävalenz der aHT bei Patienten mit OSA zwischen 35 und 80 % gezeigt [17]. In der großen Sleep Heart Health Study konnte gezeigt werden, dass die Prävalenz für aHT mit zunehmender Schwere der OSA 43 % (AHI < 1,5/h), 53 % (AHI 1,5–4,9/h), 59 % (AHI 5–14,9/h), 62 % (AHI 15–29,9/h) und 67 % (AHI ≥ 30/h) betrug [18]. Auch nach Adjustierung für anthropometrische und demografische Merkmale blieb der Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer aHT mit schwererer OSA bestehen [18]. Die Odds Ratio (OR) für aHT beim Vergleich von Menschen mit hohem AHI (≥ 30/h) und in der niedrigsten AHI-Kategorie (< 1,5/h) betrug 2,3 (95 % Konfidenzintervall [CI], 1,8–2,9) [18].

Das Geschlecht scheint für den Zusammenhang zwischen aHT und SBAS keine Rolle zu spielen [19]. Obwohl die Prävalenz von Schlafapnoe bei Frauen geringer ist als bei Männern, scheint der Zusammenhang zwischen SBAS und aHT bei beiden Geschlechtern gleich zu sein [19].

24-Stunden-Blutdruckprofil bei obstruktiver Schlafapnoe

Der nächtliche systolische und diastolische Blutdruck von gesunden Menschen sinkt im Vergleich zum Wachzustand im Durchschnitt um 10–15 % ab, was als „Dipping“ bezeichnet wird [20]. Dies hängt während des Non-Rapid-Eye-Movement-Schlafes mit der Reduktion des Sympathikotonus zusammen [20]. Dem schlafbezogenen Absinken des Blutdrucks wird eine protektive Rolle in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen zugeschrieben, während der Verlust des nächtlichen Abfalls sowohl bei normotensiven als auch bei hypertensiven Patienten mit einer schlechteren kardiovaskulären Prognose assoziiert ist [21,22,23]. Kohortenstudien haben gezeigt, dass Patienten mit einem nächtlichen Blutdruckabfall um weniger als 10 % der Tageswerte („Non-Dipper“) sowie Patienten mit einem nächtlichen Blutdruckanstieg („Reverse-Dipper“ oder „Riser“) im Vergleich zu Patienten mit aHT und erhaltenem nächtlichen „Dipping“ ein höheres Risiko für Schlaganfälle, neu auftretende Herzinsuffizienz und das Fortschreiten von Nierenerkrankungen haben [24]. In einer retrospektiven Kohortenstudie konnte an Patienten mit aHT bei Vorliegen eines „Riser“-Blutdruckmusters eine adjustierte Hazard Ratio von 2,3 für das Neuauftreten von Schlaganfällen und kardiovaskulären Ereignissen ermittelt werden [25].

In einer Querschnittsstudie lag die Prävalenz für ein „Riser-Blutdruckmuster“ bei 7,7 %, für ein „Non-Dipping“-Blutdruckmuster sogar bei 37,6 % (Abb. 2; [26]). Patienten mit OSA sind häufiger „Non-Dipper“ bzw. „Riser“ [13, 47], bei moderater bis schwerer OSA (AHI > 15/h) liegt die Prävalenz bei bis zu 84 % [27, 28]. Auch Patienten mit aHT sind häufig von einem „Non-Dipping-Blutdruckmuster“ betroffen. Hier liegt die Prävalenz bei bis zu 53 % [29]. Epidemiologische Daten in Hinblick auf Blutdruckmusterverteilungen in der Allgemeinbevölkerung und in bestimmten Patientenkollektiven sind bislang spärlich.

Abb. 2figure 2

Blutdruckmuster in der Allgemeinbevölkerung [26, 101] und bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe [27, 101, 102] sowie die Effekte einer CPAP-Therapie [93, 94]

Therapieresistente arterielle Hypertonie

Als therapieresistent wird eine aHT definiert, wenn es nicht gelingt, durch eine leitliniengerechte Behandlung mit mindestens drei Antihypertensiva, von denen eines ein Diuretikum sein muss, den Praxisblutdruck unter 140/90 mm Hg zu senken [1]. Zudem sollte die Diagnose durch Langzeitblutdruckmessungen oder häusliche Blutdruckmessungen ergänzt sowie die Compliance des Patienten bestätigt werden. Patienten mit therapieresistenter aHT haben ein höheres Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden im Vergleich zu Patienten mit nicht therapieresistenter aHT [14].

Die Prävalenz einer OSA ist bei Patienten mit therapieresistenter aHT besonders hoch.

Die prospektive RESIST-POL-Studie an 204 Patienten mit einer bestehenden therapieresistenten aHT fand polysomnographisch eine OSA-Prävalenz von 72 % (AHI ≥ 5) [16]. Ein Überblick über klinische Studien zum Zusammenhang zwischen OSA und therapieresistenter Hypertonie wird in Tab. 1 gegeben.

Tab. 1 Übersicht über klinische Studien (> 50 Teilnehmer) über den Zusammenhang zwischen obstruktiver Schlafapnoe und therapieresistenter HypertonieEntwicklung einer arteriellen Hypertonie bei vorliegender obstruktiver Schlafapnoe

Prospektive Daten aus der Wisconsin Sleep Cohort Study liefern starke Hinweise für die Theorie der OSA als unabhängigem Risikofaktor für aHT [30]. Sie fanden eine Dosis-Wirkungs-Assoziation zwischen SBAS zu Beginn der Studie und dem Vorhandensein einer aHT vier Jahre später, die unabhängig von Hypertonie-Basisstatus, Body-Mass-Index (BMI), Nacken- und Taillenumfang, Alter, Geschlecht und anderen potenziellen Risikofaktoren war [30]. Bei 709 Teilnehmern dieser Studie betrug die Odds Ratio für die Entwicklung einer aHT in der Nachbeobachtung 1,42 bei Patienten ohne OSA (AHI = 0) und 2,89 bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer OSA (AHI ≥ 15) [30].

Im Gegensatz dazu fanden Forscher der Sleep Heart Health Study in ihrer Analyse von Probanden mittleren Alters, die bei Studienbeginn keine aHT hatten, dass nach 5 Jahren Nachbeobachtungszeit und Adjustierung für den BMI kein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten einer aHT bestand [31]. Bei Probanden mit schwerer OSA (AHI ≥ 30/h) gab es einen Trend zu einem erhöhten Risiko für aHT, dieser Zusammenhang erreichte aber keine statistische Signifikanz [31].

Diese unterschiedlichen Ergebnisse der Wisconsin Sleep Cohort Study und der Sleep Heart Health Study können mit methodischen Unterschieden zwischen den beiden Studien zusammenhängen, einschließlich Unterschieden in der Kohortengröße und im Studiendesign [30, 31]. In der Wisconsin Sleep Cohort Study wurde eine Polysomnographie im Schlaflabor durchgeführt, wohingegen in der Sleep Heart Health Study eine ambulante Polysomnographie erfolgte [30, 31]. Auch waren die Teilnehmer der Wisconsin Sleep Cohort Study im Durchschnitt deutlich jünger als die Teilnehmer der Sleep Heart Health Study (47 bzw. 60 Jahre) [30, 31]. Eine Übersicht über klinischen Studien zum Zusammenhang zwischen OSA und aHT wurde in Tab. 2 erstellt.

Tab. 2 Übersicht über klinische Studien (> 1000 Patienten) über den Zusammenhang zwischen schlafbezogenen Atmungsstörungen und arterieller HypertonieGemeinsame Komorbiditäten und Risikofaktoren schlafbezogener Atmungsstörungen und arterieller Hypertonie

Mehr als 50 % der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 leiden zusätzlich an einer aHT [32]. Auswertungen der Framingham-Studie haben ergeben, dass Probanden mit bereits bestehender aHT zum Zeitpunkt der Diabetes-mellitus-Typ-2-Diagnose sowohl ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse als auch eine höhere Sterblichkeit im Vergleich zu normotensiven Probanden mit Diabetes mellitus Typ 2 aufweisen [33]. Des Weiteren besteht auch ein Zusammenhang zwischen OSA und Diabetes mellitus Typ 2. Studien konnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen OSA und dem Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 zeigen [34].

Schätzungen zufolge liegt die Prävalenz für Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m2) bei 60 % der erwachsenen Bevölkerung in den Industrieländern und mindestens 30 % leiden an Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) [35]. Adipositas gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung und das Fortschreiten einer OSA [35]. Zu den schwerwiegenden Folgen von Übergewicht oder Adipositas gehört die hohe Prävalenz der aHT [36], so deuten Risikoschätzungen aus der Framingham Heart Study beispielsweise darauf hin, dass 78 % der primären Hypertonie bei Männern und 65 % bei Frauen auf eine übermäßige Gewichtszunahme zurückzuführen sind [37].

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen für Mortalität weltweit [38]. Erwachsene mit einer OSA haben nicht nur ein erhöhtes Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, sondern weisen auch ein schlechteres Outcome im Zusammenhang mit dieser auf [38]. Auch die aHT wird als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gesehen [39], so sind etwa 54 % der Schlaganfälle und 47 % der koronaren Herzkrankheiten weltweit auf eine aHT zurückzuführen [40].

Eine Metaanalyse von Simou et al. untersuchte den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko einer Schlafapnoe bei Erwachsenen [41]. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Alkoholkonsum mit einem um 25 % gesteigerten Risiko für Schlafapnoe verbunden ist. Das Ausmaß des Blutdruckanstiegs bei starken Trinkern beträgt im Durchschnitt etwa 5 bis 10 mm Hg, wobei der systolische Anstieg fast immer größer ist als der diastolische Anstieg [42].

Tagesschläfrigkeit gehört zu den führenden klinischen Symptomen der obstruktiven Schlafapnoe [8]. Die Prävalenz einer exzessiven Tagessschläfrigkeit nimmt mit zunehmendem Schweregrad der OSA zu [43]. Goldstein et al. konnten in ihrer Studie zeigen, dass Probanden mit Tagesschläfrigkeit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nach einer Beobachtungszeit von 5 Jahren eine aHT entwickeln [44]. Zudem konnte gezeigt werden, dass Patienten mit SBAS, die sich häufig übermäßig schläfrig fühlen, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an einer aHT leiden [45].

Pathophysiologische Verbindungen zwischen arterieller Hypertonie und obstruktiver SchlafapnoeAufwachreaktionen

Aufwachreaktionen werden nach der American Sleep Disorders Association definiert als Einstreuung von Alpha-Aktivität in der Schlaf-Elektroenzephalographie mit einer Dauer von mindestens drei bis höchstens 15 s [46]. Ein vollständiger oder partieller Kollaps der oberen Atemwege während des Schlafs und vermehrte Atmungsanstrengungen können bei Patienten mit OSA zu Aufwachreaktionen führen [47]. Diese stehen häufig in Zusammenhang mit Apnoen oder Hypopnoen, können jedoch auch ohne Sauerstoffentsättigungen auftreten. Durch die Aufwachreaktion wird eine Apnoe bei Patienten mit OSA in der Regel beendet, da die oberen Atemwege wieder geöffnet werden und eine normale Ventilation stattfinden kann [48, 49].

Die folgende Hyperpnoe nach einer Aufwachreaktion dehnt die peripheren afferenten Fasern der Lunge. Dies geht mit einer vagolytischen Reaktion, dem Hering-Breuer-Reflex, einher [50,51,52,53]. Zusammen mit einer Erhöhung der Sympathikusaktivität lässt diese die Herz- und die Atmungsfrequenz steigen. Zudem führen die Aufwachreaktionen zu einer Schlaffragmentierung [49, 54]. Im Tiermodell gingen Aufwachreaktionen mit einem erhöhten Blutdruck, erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem koronarvaskulären Widerstand bei verschlossener Trachea einher [46, 53]. Ebenfalls im Tiermodell führten sowohl Apnoen als auch auditiv induzierte Aufwachreaktionen zu einem Anstieg des nächtlichen Blutdrucks, aber lediglich die Apnoen führten zu einem Anstieg des Tagesblutdrucks [55]. Diese Studie legt nahe, dass der Zusammenhang zwischen OSA und aHT spezifisch für den Zyklus aus konsekutiven Apnoen und Aufwachreaktionen ist und nicht allein durch erhöhtes Auftreten von Aufwachreaktionen erklärt werden kann [48].

Intermittierende Hypoxämie

Obstruktive Apnoen und Hypopnoen führen zu einer intermittierenden Hypoxämie. Diese fördert die Produktion freier Sauerstoffradikale, aktiviert sowohl systemische als auch vaskuläre Entzündungen und beeinträchtigt die Endothelfunktion [14]. Durch die hypoxische Stimulation der peripheren Chemorezeptoren kommt es zu einer Aktivierung des Sympathikus mit anschließender erhöhter Ventilation [48, 54]. Zudem kommt es durch intermittierende hypoxämische Apnoen zu einer anhaltenden Erhöhung des Sympathikotonus [56].

In einer randomisierten kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit OSA eine Positivdrucktherapie („continuous positive airway pressure“, CPAP) die Marker für oxidativen Stress reduziert [57].

Intrathorakale Druckschwankungen

Aufgrund der Einatmung gegen einen verschlossenen Pharynx (Müller-Manöver) entsteht bei der OSA ein negativer intrathorakaler Druck von bis zu −80 mm Hg [58]. Dieser negative intrathorakale Druck führt zu einem akuten Anstieg der rechts- und linksventrikulären Nachlast. Zudem wird der venöse Rückfluss zum Herzen begünstigt, wodurch die rechtsventrikuläre Vorlast erhöht wird. Daraus folgt eine Verschiebung des Septums nach links mit Abnahme des linksventrikulären Schlagvolumens [14, 58]. Eine gesteigerte Vor- und Nachlast erhöhen die transmurale Wandspannung, was zu einer Zunahme des myokardialen Sauerstoffbedarfs führt und mit einem nächtlichen Blutdruckanstieg assoziiert ist [59]. Durch das geringere Schlagvolumen und die gleichzeitige Verringerung der Herzfrequenz sinkt auch das Herzzeitvolumen bei den Patienten. Bei der Wiederaufnahme der Atmung werden die apnoebedingten Einschränkungen des Schlagvolumens und der Herzfrequenz abrupt aufgehoben, was die Freisetzung eines erhöhten Herzzeitvolumens bei peripher verengten Gefäßen durch sympathische Vasokonstriktion zur Folge hat und somit einen Blutdruckanstieg bewirkt [14, 48, 58]. Auch wurde durch den negativen intrathorakalen Druck ein Anstieg der postganglionären sympathischen Nervenaktivität von mehr als 200 % mit einem signifikanten Anstieg des mittleren Blutdrucks am Ende der Apnoe beschrieben [60].

Gesteigerter Sympathikotonus

Zur Bestimmung der Aktivität des autonomen Nervensystems können verschiedene Methoden herangezogen werden. Zum einen kann die Herzfrequenzvariabilität herangezogen werden [61]. Diese dient insbesondere dazu, das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus abschätzen zu können. Dabei lässt sich die autonome Aktivität vor allem durch die Analyse rhythmischer Schwankungen der Herzfrequenz quantifizieren. Auch eine Bestimmung der Katecholaminspiegel kann durchgeführt werden, um Rückschlüsse auf den Sympathikotonus zu ziehen [62]. Eine weitere Methode zur Messung der Sympathikusaktivität ist die MSNA (muscle sympathic nerve acitivity), wobei mithilfe einer Mikroneurographie die Aktivität peripherer Nerven aufgezeichnet wird [63]. Durch diese Methode konnte gezeigt werden, dass die MSNA-Messwerte bei Probanden mit Übergewicht (BMI ≥ 30 kg/m2) und bestehender OSA im Vergleich zu normalgewichtigen Probanden oder Probanden mit Übergewicht, aber ohne OSA, höher lagen [

留言 (0)

沒有登入
gif