Diagnostik und Therapie der residualen Tagesschläfrigkeit bei Patienten mit therapierter obstruktiver Schlafapnoe

Die Autoren schlagen ein strukturiertes Vorgehen bei der Behandlung der residualen Tagesschläfrigkeit vor. Eine Behandlung ist von Bedeutung wegen der o. g. auftretenden klinischen Beschwerden und der Folgen der residualen Tageschläfrigkeit sowie wegen der latenten Gefahr einer mangelnden Nutzung der CPAP-Therapie, wenn die Betroffenen keinen subjektiven Nutzen spüren.

Zwischen 2010 und 2015 wurde 625.000 von 12,5 Mio. CPAP-Patienten in den USA (5 % der Bevölkerung) eine vigilanzsteigernde Substanz verschrieben [28]. Von diesen 5 % haben 30 % Modafinil oder Armodafinil erhalten und 61 % Amphetamine, Dextroamphetamine, Methylphenidat oder Metamphetamin u. a.

Modafinil und Armodafinil

Die bisher am häufigsten angewendete Therapie in den USA ist die Behandlung mit den vigilanzsteigernden Medikamenten Modafinil oder Armodafinil. Die meisten Studien zu diesen Substanzen liefen über einen Zeitraum von 12 Wochen. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Die erste Studie mit Modafinil gegen die residuale Tagesschläfrigkeit bei CPAP-Patienten wurde von Black et al. [29] veröffentlicht. Mit 200 und 400 mg Modafinil zeigte sich im Verlauf von 12 Wochen ein signifikant positiver Effekt auf die Einschlaflatenz im MWT (14,8 ± 5,3 und 15 ± 5,3 min), den ESS (−4,5 ± 4,7 und −4,5 ± 4,3) und den CGI (61 und 68 % Verbesserung). Einen vergleichbaren statistisch signifikanten positiven Effekt im MWT (+1,9 ± 7,3 min in der gesamten Armodafinil Gruppe) und dem ESS (−5,5 ± 5 in der gesamten Armodafinil Gruppe) im Verlauf von 12 Wochen konnten Roth et al. [30] mit 150 und 250 mg Armodafinil nachweisen.

Abad et al. [31] berichten, dass sich bei 49 % der Modafinil- und 45 % der Armodafinil-Patienten kein Effekt nachweisen lässt.

Modafinil entfaltet seine Wirkung über das dopaminerge und serotoninerge System und hat eine Halbwertzeit von 3–4 h. Armodafinil hat eine Halbwertzeit von 10–14 h. Sie senken die ESS um jeweils nur 2,2 Punkte im Mittel [32]. Selbst eine Kombinationstherapie ist nicht bei allen Patienten effektiv [33].

Modafinil war bis 2010 für die residuale Tagesschläfrigkeit bei OSA auch auf dem europäischen Markt verfügbar, wurde dann aber von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA – European Medical Agency) wieder vom Markt genommen. Begründung der EMA für die Rücknahme der Zulassung war, dass es aus Sicht der EMA keine bzw. zu wenig [33] randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) für den Effektivitätsnachweis gibt. Auch die seltenen Hautreaktionen und psychiatrischen Nebenwirkungen (Depression, Suizidgedanken, psychotische Episoden) waren für die Entscheidung relevant. Armodafinil war in Europa nie zur Zulassung angemeldet worden.

Pitolisant

Pitolisant ist ein Histamin-H3-Rezeptor-Antagonist und inverser Agonist, welcher die Histamin-Autorezeptoren im ZNS blockt. Darüber hinaus moduliert Pitolisant verschiedene Neurotransmittersysteme und erhöht dadurch die Ausschüttung von Acetylcholin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn. Nebenwirkungen können daher Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitverlust, Angst, Insomnie, Schwindel und eine Rhinopharyngitis sein [31, 34]. Schwartz et al. [35] berichten über 12 CPAP-Patienten, die für drei Tage mit je 40 mg behandelt wurden, was zu einer Senkung des ESS von 15,7 ± 0,9 auf 9,8 ± 1,5 führte. Dauvilliers et al. 2020 [34] stellen eine 12-Wochen-Studie mit Pitolisant bis 20 mg/Tag bei 268 OSA-Patienten (mittleres Alter 52, mittlerer AHI 49/h, mittlerer ESS 15,7), die CPAP abgelehnt haben, vor. Auch hier zeigte sich eine Verbesserung des ESS bei den 201 Verum-Patienten im Vergleich zu Placebo (n = 67) um 2,8 Punkte (−4 bis −1,5). Im Multiplen Wachbleibetest ergaben sich keine Änderungen. In einer weiteren 12-Wochen-Studie [36] wurde der Einfluss von Pitolisant (20 mg) auf die Tagesschläfrigkeit bei 244 mit CPAP therapierten Patienten mit OSA untersucht. Es ergab sich eine signifikante Minderung des ESS (primärer Endpunkt) um 2,6 (−3,9 bis −1,4) in der Pitolisant- (n = 183), nicht aber in der Placebo-Gruppe (n = 61). Auch im CGI zeigte sich eine signifikante Besserung, allerdings nicht im objektiven Osler-Test.

Solriamfetol

Solriamfetol ist ein Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer mit einer Halbwertzeit von 6–8 h [37]. Schweitzer et al. [38] veröffentlichten eine Phase-3-Studie zu Solriamfetol bei OSA-Patienten unter CPAP (TONES-3) und fanden nach 12 Wochen eine deutliche Verbesserung des ESS-Score (−7,7), des Clinical Global Impresssions Scale –Clinical Change (CGI-C), des Patient Global Impression of Change Score (PGI-C) und des MWT (+11 min). Derartige Änderungen, insbesondere des ESS, sind laut Patel klinisch relevant [19]. Die Dosierungen 75 und 150 mg zeigten für den MWT (75 mg um 7,2 min; 150 mg um 11,7 min), den PGI‑C, den CGI‑C und den ESS ab der vierten Woche eine signifikante und anhaltende Verbesserung im Vergleich zur Baseline. Signifikante Änderungen in der ESS und im MWT ließen sich für beide Dosierungen auch schon ab der ersten Woche nachweisen [38]. Mögliche Effekte nach dem Absetzen der Therapie wurden von Strollo et al. [39] untersucht. In einem Sechs-Wochen-Protokoll wurden die Patienten für zwei Wochen je nach individuellem Bedürfnis auf 75, 150 oder 300 mg eingestellt, gefolgt von zwei Wochen stabiler Medikation und zwei weiteren Wochen, in denen für einige der Patienten (1:1-Verhältnis) entweder eine Fortführung der Therapie oder die Umstellung auf Placebo erfolgte. In der Placebo-Gruppe nahm der ESS um 4,5 Punkte zu, die Einschlaflatenz um 12,1 min ab, und es kam zu einer Änderung des PGI‑C um 50 %. Es traten keine Rebound-Hypersomnie oder Entzugserscheinungen auf. Weaver et al. (2020) berichten über 76 OSA-Patienten, die für 12 Wochen 37,5, 75, 150 oder 300 mg Solriamfetol oder Placebo erhielten. Es ergaben sich signifikant positive Effekte in den Fragebögen FOSQ (Functional Outcome of Sleep Questionnaire), WPAI:SHP (Work Productivity and Activity Impairment Questionnaire: Specific Health Problem) und in den physischen und mentalen Domänen des SF-36 (Short-Form-36-Gesundheitsfragebogen) [40].

Häufigste Nebenwirkungen unter Solriamfetol sind ähnlich wie bei Pitolisant Kopfschmerzen, Übelkeit und Appetitverlust mit je ca. 10 % bei einer Dosis von 150 mg.

Abad und Guillemimault [31] kommen zu dem Schluss, dass Solriamfetol wirksamer ist als Modafinil oder Armodafinil und nebenwirkungsärmer als Methylphenidat und Amphetamine. Da Solriamfetol im Gegensatz zu Modafinil/Armodafinil eine REM-Reduktion bewirkt, kann dies bei REM-assoziierter OSA von Interesse sein [41].

Solriamfetol wurde in den USA 2019 und in Europa 2020 für die Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie und für die Behandlung der residualen Tagesschläfrigkeit bei OSA-Patienten nach vorangegangener Primärtherapie zugelassen.

Weitere medikamentöse Verfahren

Eine weitere die Wachheit fördernde Substanz, die sich in der Entwicklung befand, ist MK-0249, ebenfalls ein inverser H3-Agonist. Es zeigte sich nach zweiwöchiger Nutzung bei OSA-Patienten mit residualer Tagesschläfrigkeit eine Verbesserung des ESS, des CGI‑C und des Psychomotor-Vigilanz-Tests (PVT) [42]. Weitere Studien sind bisher nicht publiziert.

Andere Medikamente, die off-label in der klinischen Praxis genutzt werden, sind Methylphenidat und Amphetamine. Koffeinhaltige Getränke und Tabletten werden von den Patienten alternativ angewendet.

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