Schlafmedizinische Qualifizierung in Deutschland – eine Bestandsaufnahme

Die schlafmedizinische Primärversorgung ist derzeit nicht strukturiert und es existieren bisher keine zertifizierten schlafmedizinischen Qualifikationsmöglichkeiten im hausärztlichen Bereich, die über die kontinuierliche Fortbildung in Eigenverantwortung hinausgehen. Für einzelne Fachgruppen gibt es jedoch die Möglichkeit, eine Zusatzbezeichnung Schlafmedizin zu erwerben. Nach der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer [1] sind dies die Fachärztinnen für Allgemeinmedizin, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin, Innere Medizin und Kardiologie, Innere Medizin und Pneumologie, Kinder- und Jugendmedizin, Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Neurologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychiatrie und Psychotherapie. Die Umsetzung der ärztlichen Weiterbildung obliegt den Landesärztekammern, sodass die Rahmenbedingungen für die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin von Landesärztekammer zu Landesärztekammer abweichen. Abweichungen von den genannten Fachärztinnenweiterbildungen als Voraussetzung zum Erwerb der Zusatzbezeichnungen sind den Autoren jedoch nicht bekannt.

Das Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes [2] weist für 2018 eine Gesamtzahl von 1255 Schlafmedizinerinnen in Deutschland aus. Die zeitliche Entwicklung der Zahl der Schlafmedizinerinnen kann der Abb. 1 entnommen werden. Hierbei zeigt sich, dass nach der Einführung der Zusatzbezeichnung zwischen 2005 und 2015 zwar eine rasche Zunahme der Anzahl zu verzeichnen ist, die Zahl allerdings seitdem weitgehend stagniert.

Abb. 1figure1

Anzahl der Schlafmedizinerinnen in Deutschland im Zeitverlauf (nach dem Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes [2])

Eine Aufgliederung nach Fachdisziplinen ist anhand dieser Daten jedoch nicht möglich. Zur Erfassung der Anzahl der Schlafmedizinerinnen in Deutschland im Allgemeinen und bezogen auf die Bundesländer erfolgte daher eine Abfrage bei den Landesärztekammern im Dezember 2020, wobei alle Landesärztekammern entsprechende Daten bereitgestellt hatten. Nach den zur Verfügung gestellten Daten waren 1436 Schlafmedizinerinnen in Deutschland verzeichnet. Die Zahl der berufstätigen Ärztinnen in Deutschland im Jahr 2019 lag bei 402.119 [3]. Demnach verfügen nur etwa 0,4 % aller berufstätigen Ärztinnen über eine Zusatzbezeichnung Schlafmedizin. Betrachtet man nur die Fachärztinnen, die eine solche Zusatzbezeichnung erwerben können (s. oben), so liegt die Zahl bei 1436/142.779, entsprechend also bei 1,0 %, wobei die Fachärztinnen für Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie hier nicht einberechnet wurden, da diese in der genannten Statistik des statistischen Bundesamtes nicht aufgeführt sind.

Die Verteilung der Fachärztinnen mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin auf die einzelnen Landesärztekammern in absoluten Zahlen und im prozentualen Verhältnis zu den berufstätigen Ärztinnen der jeweiligen Landesärztekammern [3] zeigt die Tab. 1.

Tab. 1 Anzahl der Schlafmedizinerinnen in Deutschland in den einzelnen Bundesländern

Die Abfrage bei den Landesärztekammern ermöglichte darüber hinaus eine Zuordnung der Schlafmedizinerinnen zu den zuvor genannten Fachgruppen. Die Mehrzahl der Schlafmedizinerinnen in Deutschland sind Fachärztinnen für Innere Medizin (66,6 %), gefolgt von Fachärztinnen für HNO-Heilkunde (12,5 %) und Neurologie (10,7 %). Eine detaillierte Auswertung kann der Abb. 2 und der Tab. 2 entnommen werden (Fachärztinnen für Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin existieren nach Angaben der Landesärztekammern nicht). Die Zuordnung zu den in der Darstellung gewählten Fachgruppen ist jedoch nicht in jedem Einzelfall möglich, insbesondere bei den Fachärztinnen, die mehreren Fachgruppen zugeordnet werden können (z. B. Nervenärztinnen). Die Nervenärztinnen wurden der Gruppe der Neurologinnen zugeordnet, dies führte zwar zu einer geringfügigen Verzerrung der Daten, der Effekt war jedoch aufgrund der vernachlässigbaren Zahl an schlafmedizinischen Nervenärztinnen minimal, und der alternative Verzicht auf eine getrennte Darstellung für die Fachrichtungen Neurologie und Psychiatrie hätte die Aussagekraft insgesamt reduziert.

Abb. 2figure2

Anzahl der Fachärztinnen mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin bezogen auf die einzelnen Fachgruppen gemäß Angaben der Landesärztekammern

Tab. 2 Ärztinnen mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin in Bezug auf die Zugehörigkeit zu den einzelnen Fachgruppen für die Bundesländer gemäß Angaben der Landesärztekammern

Basierend auf den vorgenannten Daten muss daher festgehalten werden, dass unabhängig vom Bundesland bzw. der Landesärztekammer und unabhängig von der Fachgebietszugehörigkeit sehr wenige Fachärztinnen die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin in Deutschland erwerben und eine flächendeckende schlafmedizinische Versorgung auf dieser Basis kaum gewährleistet ist. So leiden in Deutschland möglicherweise bis zu 35 % der erwachsenen Bevölkerung an einer schlafbezogenen Atmungsstörung [4], ungefähr 5–10 % an einer Insomnie [5] und etwa 5–10 % an einem Restless-Legs-Syndrom [6]. Es ist nicht genau bekannt, in welchem Ausmaß diese Schlafstörungen komorbid miteinander auftreten. Selbst bei sehr konservativer Schätzung leiden aber mindestens 10 % der Bevölkerung in Deutschland aktuell unter mindestens einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung, sodass auf jede Fachärztin mit Zusatzbezeichnung Schlafmedizin mehr als 6500 Patientinnen mit Schlafstörungen kommen. Insbesondere in den Disziplinen Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie und Allgemeinmedizin ist in zahlreichen Bundesländern keine Fachärztin mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin verzeichnet.

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